KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
mich wartest.«
Ethan zögerte. »An was kannst du dich sonst noch erinnern?«
Sie seufzte. »Es ist alles ein einziges Durcheinander. Ich meine, ich kann mich an viele einzelne Dinge erinnern, kann sie aber nicht in eine chronologische Reihenfolge bringen. Es ist, als würde mich jemand mit Bildern bombardieren, die völlig ungeordnet sind.«
»Lass dir Zeit. Du kannst nichts erzwingen, und du hast viel durchgemacht. Wenn ich dich erst nach Hause gebracht habe und du dich in Sicherheit fühlst, kommen auch die Erinnerungen wieder.«
Sie legte den Kopf auf die Seite. »Wie viele Brüder hast du eigentlich? Von Garrett weiß ich schon. Sam … er macht mir Angst. Und dann ist da noch einer … Donovan?«
Ethan lächelte. »Normalerweise ist Garrett derjenige, der den Leuten Angst einjagt. Sam ist der Älteste, auch wenn man Garrett dafür halten könnte.«
»Garrett würde mir nie was tun.«
»Sam auch nicht«, sagte er sanft. »Aber um deine Frage zu beantworten. Insgesamt sind wir sechs. Nathan und Joe sind Zwillinge und momentan in Afghanistan stationiert.«
»Habe ich auch Verwandte? Es ist doch komisch, dass ich mich an Garrett erinnere, aber an niemanden von meiner Familie.«
Er schüttelte den Kopf. »Du warst ein Einzelkind, und deine Eltern sind vor einigen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«
»Oh.« Ihre Enttäuschung konnte sie nicht verbergen.
»Allerdings standest du meiner Mom sehr nahe. Beide, sie und mein Vater, lieben dich wie eine Tochter. Du hast zu unserer Familie gehört, lange bevor wir geheiratet haben.«
Sie entspannte sich und lächelte. Dann fiel ihr etwas ein, und sie runzelte die Stirn. »Sie glauben, dass ich tot bin. So wie du es geglaubt hast.«
Seufzend fuhr Ethan sich durchs Haar.
»Woher hast du von mir erfahren? Ich meine, wie hast du mich gefunden?«
Als sie das sagte, begann sie zu zittern, und schon konnte sie das Kribbeln wieder spüren.
»Das ist eine lange Geschichte, mein Liebling. Im Moment ist das nicht so wichtig. Wichtig ist jetzt nur, dass ich dich gefunden habe. Für uns alle ist das ein echtes Wunder. Mom und Dad werden ganz aus dem Häuschen sein. Ich weiß noch nicht, wie ich es ihnen beibringen soll. Sie werden mich für verrückt erklären.«
»Ich habe Hunger«, sagte sie plötzlich. Sie rieb sich mit der Hand über den Arm, weil er juckte. Sie verspürte eindeutig Hunger, wusste nur nicht, welches Bedürfnis stärker war: nach Nahrung oder nach der Nadel.
Sie konnte regelrecht spüren, wie die Nadel in ihr Fleisch stach, ein angenehmes Gefühl, weil danach der furchtbare Schmerz verschwand.
Ethans Hand schloss sich um ihre. »Ich bin gleich wieder da.«
Er stand auf, warf Rachel noch einen Blick zu und verließ das Zimmer. Was immer Maren ihr auch gegeben hatte, die Wirkung ließ nach. Rachel wurde wieder unruhiger.
Er steckte den Kopf in Coles Zimmer, aber der schlief wie ein Toter. Steeles Zimmer war leer, was Ethan nicht unbedingt überraschte. Gleich darauf wäre er beinahe mit Maren zusammengestoßen, die aus Dolphins Zimmer kam.
»Kann ich hier irgendwo was zu essen besorgen?«, fragte Ethan. »Rachel hat Hunger.«
»Ein gutes Zeichen. Sie muss essen. Aber immer schön langsam, und geben Sie ihr nicht zu viel auf einmal. Hinten raus ist eine kleine Küche, da können wir in der Mikrowelle etwas Suppe warm machen.«
Ethan folgte ihr an den Duschen vorbei zu einer Küchenzeile, wo sich ein Herd mit zwei Kochplatten, ein kleiner Kühlschrank und eine Mikrowelle befanden.
»Fast wie zu Hause«, sagte sie spöttisch.
»Sie wohnen hier nicht, oder?«
»Wie man’s nimmt. Wenn ich viel zu tun habe oder Patienten da sind, schlage ich mein Lager hier hinten auf. Ansonsten habe ich ein Häuschen eine halbe Meile von hier. Es ist nichts Besonderes, aber es ist trocken und hält den Regen ab.«
»Wo sind eigentlich alle hin?«, fragte er, während sie eine Schüssel aus dem Kühlschrank holte.
»Ich habe sie in mein bescheidenes Heim geschickt. Da können sie schlafen und essen und stehen mir hier nicht im Weg rum. Von Sam soll ich Ihnen ausrichten, dass er bald wieder hier ist. Warum gehen Sie nicht wieder zu Rachel? Ich mache die Suppe heiß und komme in ein paar Minuten nach.«
»Danke. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Maren.«
Lächelnd scheuchte sie ihn davon. Ethan ging wieder zurück durch den Flur. Als er beinahe Rachels Zimmer erreicht hatte, hörte er etwas krachen.
Er rannte los und riss die Tür auf.
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