KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Rachel stand neben dem Bett, die Stange mit dem Infusionsbeutel war umgefallen. Wie irre zerrte sie an dem Schlauch an ihrem Handgelenk, und ehe er noch reagieren konnte, hatte sie sich auch schon den Zugang herausgerissen. Blut schoss aus dem Katheter, der immer noch in ihrem Arm steckte, und ergoss sich auf den Boden und ihr Nachthemd.
Sie achtete gar nicht darauf, sondern rieb sich Arme, Brust und Beine und schlug wild um sich, dass das Blut nur so durchs Zimmer spritzte.
Er sprang über das Bett, riss sie an sich und packte ihr Handgelenk, um die Blutung zu stoppen, aber sie wehrte sich verzweifelt. Sie nahm ihn nicht einmal wahr.
»Rachel! Hör auf! Kleines, hör sofort auf!«
»Mach sie weg!«, brüllte sie. »Mein Gott, mach sie weg!«
Er drückte sie an sich, hielt ihre Arme fest und versuchte gleichzeitig, mit einem Finger den Zugang zuzudrücken. Schließlich war Rachel machtlos, hörte aber nicht auf, sich vor Schmerzen zu winden und zu schreien.
»Maren!«, brüllte er. »Schnell! Sie müssen mir helfen!«
Erneut stieß Rachel einen Schrei aus, einen schrillen Entsetzensschrei. Sie krümmte sich und wehrte sich mit erstaunlicher Kraft.
»Rachel, Liebling, es ist alles in Ordnung. Dir fehlt nichts, ich schwöre es.«
»Sie sind überall«, jammerte sie. »Mach sie weg!«
»Was denn? Da ist nichts.«
Maren stürmte mit flatterndem Kittel ins Zimmer. Ein Blick reichte, und sie wusste, was sie zu tun hatte.
»Aufs Bett mit ihr«, befahl sie. »Ich muss die Infusion wieder anschließen.«
Ethan wuchtete Rachel aufs Bett und drückte sie auf die Matratze, wobei sie ohne Unterlass um sich trat und schlug. Ihre Augen waren aufgerissen, die Pupillen starr und geweitet. Gesicht und Haare waren schweißüberströmt, ihre Wangen kreidebleich.
»Halluzinationen«, sagte Maren trocken. Geschickt steckte sie den Infusionsschlauch wieder auf und holte dann ein Arzneifläschchen aus der Tasche. Mit ruhiger Hand zog sie eine Spritze auf und injizierte die Flüssigkeit in den Zugang.
Als sie damit fertig war, legte sie Rachel eine Hand auf die Stirn und wischte den Schweiß und die verklebten Haare beiseite. »Hör mir zu, Rachel. Das ist nicht real. Was du siehst, gibt es in Wirklichkeit nicht. Sieh mich an.«
Rachels umherirrende Augen richteten sich auf Maren, der Mund formte sich zu einem stummen Schrei.
»So ist es gut. Jetzt hör mir zu. Dir kann nichts geschehen. Es ist eine Halluzination. Ethan ist hier. Ich bin hier. Wir passen auf dich auf. In einer Minute wirst du dich besser fühlen. Versprochen.«
Rachel brach zusammen, sie begann zu weinen. Abgehackte Schluchzer entrangen sich ihrer Brust und ließen ihren ganzen Körper erzittern. Wie sie sich überhaupt so lange hatte zusammenreißen können, war Ethan ein Rätsel.
Sobald Maren ein paar Schritte zurückgetreten war, nahm er Rachel in die Arme und hielt sie fest, während sie sich ausheulte. Er strich ihr übers Haar, über den Rücken, über jeden Teil ihres Körpers, den er erreichen konnte.
Etwas in ihm zerbrach. Am liebsten hätte er um sich geschlagen, mit ihr geweint, um sie geweint. Wegen allem, was sie durchmachen musste.
Was hatten diese Schweine ihr angetan? Sie konnte sich an fast nichts mehr erinnern und durchlitt grausame Qualen durch den Entzug. Und wenn die Drogen ihren Verstand dauerhaft geschädigt hatten?
Er schüttelte den Kopf. Nein, er würde nicht akzeptieren, dass seine Rachel ausgelöscht war. Sie würde zu ihm zurückkommen. Sie musste einfach. Aber wenn ihr die Vergangenheit wieder einfiel, musste er sie überzeugen, dass er fürchterlichen Mist gebaut hatte. Er liebte sie. Sie um die Scheidung zu bitten, war der größte Fehler seines Lebens gewesen. Ein Fehler, den er bis zu seinem Tod bereuen würde.
Er schloss die Augen und wartete. Inzwischen zitterte er beinahe genauso stark wie sie.
»Es tut mir so leid, Kleines«, flüsterte er ihr mit erstickter Stimme ins Ohr. »Es tut mir so leid, dass ich dich im Stich gelassen habe.«
Mehrere Minuten lang kniete er auf dem Bett und hielt sie fest umschlungen. Schließlich spürte er, wie sie ruhiger wurde. Er ließ locker, und ihr Kopf neigte sich zur Seite. Vorsichtig legte er sie hin. Ihre Lider flatterten noch kurz, dann tauchte sie ab ins Reich des Vergessens.
»Das meiste Blut ist auf dem Boden und auf ihrem Nachthemd gelandet«, sagte Maren leise. »Das Laken können wir später wechseln. Lassen Sie sie schlafen. Den Boden mache ich sauber, und wenn sie
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