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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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in die Fliegerkombi Ventilationslöcher in Achseln und Schritt eingearbeitet waren, breiteten sich unter den Armen, auf der Brust und im Kreuz große, dunkle Flecken aus.
    »Nun fliege ich Sie doch noch«, begrüßte er Jung freundlich.
    »Ja, schade, dass es das erste Mal nicht geklappt hat. Damals hätte ich das sehr zu schätzen gewusst. Aber ich freue mich trotzdem. Schönes Wetter zum Fliegen, nicht wahr?«
    »Die Große Wolke hatte es uns versprochen. Wunderbar, keine Hazards, Sicht bis zum Anschlag, nur warme, trockene Luft. Könnte nicht besser sein. Steigen Sie ein.«
    Der Helikopter zitterte in der glühenden Hitze, die von der Betonplatte aufstieg, auf der er abgestellt worden war. Bevor sie an Bord gehen durften, wurden sie mit Rettungswesten ausgestattet. Zum Glück blieben ihnen die schweren, unhandlichen Schwimmwesten erspart. Sie legten eine leichte Weste an, mehr ein Gummiring, der im Ernstfall aufzublasen war. Der Pilot startete die Turbine und hob gleich danach ohne viele Checks und langem Talk mit dem Tower ab.
    Mit jedem Meter, den sie an Höhe gewannen, verflüchtigte sich die schmutzige Wirklichkeit und machte der Aussicht auf eine bizarre Schönheit Platz. In einer weit ausholenden Schleife überflogen sie eine wilde, nahezu vegetationslose, in feuerbraune Farben getauchte, vulkanische Gesteinswüste. Dann kehrten sie hoch über die Stadt zurück. Die symmetrisch angelegten Straßenzüge Dschibutis erweckten die Illusion von Ordnung und Vertrauen. Aus dieser Höhe wäre ein Betrachter niemals auf die Idee gekommen, in dem weißen Strand das Waschbecken eines großen Teils der Bewohner dieser Stadt unter sich zu haben. Vergessen waren Müll und Gestank. Da unten lag blitzsauber und geordnet der Hafen. Er strahlte Lebendigkeit, Handel und Prosperität aus. Die Kamele standen, putzig anzusehen, auf dem offenen Ladedeck des schlanken Frachters, der sauber vertäut an der Pier lag.
    Seewärts, vor der Ansteuerung zum Hafenbecken, erhob sich der Sand des kleinen Eilandes blendend weiß aus dem azurblauen Meer. Unter der Wasseroberfläche zeichneten sich dunkle Korallenriffe und Untiefen von der leuchtend blauen See ab.
    Es dauerte nicht lange und sie sahen ihr Schiff am Horizont auf der Kimm liegen: klein, unschuldig, wie ein Spielzeug. Der Pilot steuerte sein Fluggerät, mit der Nase in Kursrichtung, seitlich neben das Flugdeck und verharrte für einen Moment reglos in der Luft. Dann schwebte es, scheinbar ohne Vortrieb und wie an einem Gummiband gezogen, über das Flugdeck und hockte sich einfach hin wie ein Huhn, das Eier legt. Als sie den Hubschrauber verlassen hatten, war der Zauber vorbei. Der graue Alltag hatte sie wieder.
    »Wir müssen uns unterhalten, Schumi. Wir treffen uns bei dir in einer halben Stunde. Geht das in Ordnung?«
    »Okay, in einer halben Stunde. Ich stell für uns ein Bier kalt. Ich brauch das.«
    »Ich auch. Bis dann.«
     
     
     
     
     
     

Der KaFü
    Jung eilte in seine Kammer. Er verstaute seine dreckigen Klamotten in einem Wäschesack. Nachdem er sich geduscht hatte, trank er etwas Wasser aus der Flasche und legte sich erschöpft auf die Koje. Er schloss die Augen.
     
    *
     
    Ich muss Sport treiben. Ich fühle mich schlapp und ausgebrannt. Mein Appetit lässt nach. Ich bin müde. Was ist mit meiner Wade? Ich hab sie in den letzten Tagen nicht mehr groß gespürt. Die Hölle auf dem Flugdeck will ich trotzdem nicht mitmachen. Der Kommandant muss ohne mich auskommen. Er ist Berufssoldat. Er hat die Pflicht, sich fit zu halten. Und was bin ich? Muss ich mich auch fit halten? Aus Gesundheitsgründen schon. Heißt das, ich soll mich schinden? Nein, oder?
     
    *
     
    Jung wurde abrupt aus seinem inneren Monolog gerissen. Die Kammertür ging auf und der MET betrat den Raum. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich schweigend auf den Stahlrohrstuhl vor dem Schreibsekretär. Er wirkte erschöpft.
    »Sie sehen müde aus«, sprach Jung ihn an. »Was macht Ihnen zu schaffen? Das Wetter könnte doch nicht besser sein.«
    »Es liegt nicht am Wetter. Das tägliche Einerlei geht mir auf den Wecker, die Enge, die vielen Leute. Selbst auf dem Klo hört man die anderen bei ihren Geschäften. Ich brauch mal ’ne Pause.«
    »Wann gehen Sie nach Hause?«
    »In drei Wochen ist Schluss.«
    »Wie lange waren Sie dann an Bord?«
    »Gut zwei Monate.«
    »Das geht doch. Ich hörte, dass der alte KaFü knapp ein Jahr hinter sich hatte, bevor er verschwand.«
    »Ja, das soll ein

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