Kill Decision
können. Geht mir ja genauso mit meinen Mistkäfern.»
Sie lachte. «Das glaube ich nicht.»
«Falls Sie damit andeuten wollen, ich hätte mir dieses Spezialgebiet nicht ausgesucht, wenn ich gewusst hätte, dass ich den ganzen Tag Larven aus Affenscheiße klauben würde, liegen Sie falsch. Es ist verdammt spannend. Kommen Sie doch mal abends rüber in meine Hütte, dann zeig ich’s Ihnen.»
«Ach, danke, ich verzichte lieber.» Sie wusste, die meisten Frauen in seinem Umfeld flogen auf Halorens sarkastische und selbstironische Art. Er war ein paar Jahre jünger als McKinney, Ende zwanzig, und auf lässige Art gutaussehend, aber auch frech und ein bisschen zu selbstverliebt. Er mokierte sich über alles und, was das Aufreizendste war, hatte oft recht in Bezug auf Dinge, die ihr gar nicht bewusst waren.
«Wer ist denn Ihr Freund da?»
McKinney folgte Halorens Zeigefinger zum Fenster neben ihrer Workstation. Dort draußen, in einer prächtig blühenden Bougainvillea, saß ein großer, schwarzer Rabe und betrachtete sie gelassen. «Den habe ich gar nicht gesehen.»
«Schauen Sie mal, er ist getaggt.»
McKinney sah jetzt am Bein des Vogels einen Lederring und einen winzigen Transponder, der in der Sonne glitzerte. «Da hat jemand Forschungsgelder.»
«O glückliche Minderheit.» Haloren lehnte sich an ihren Schreibtisch. «Die Araber sagen ja, Raben sind Schicksalsboten.»
«Sparen Sie sich das für Ihre Studenten auf.» McKinney beugte sich zu dem Freisprechtelefon auf ihrem Tisch. «Leute, ich bin in ein paar Stunden wieder da. Hatte ganz vergessen, dass ich einen Termin habe. Lasst so lange das Video laufen und bügelt Glitches aus, so gut ihr könnt.»
Vom anderen Ende kam leises Lachen. «Kein Problem, Prof.»
Haloren sah sie an. «Die haben die ganze Zeit mitgehört?»
McKinney legte achselzuckend auf. Dann beugte sie sich hinaus, um an den Fenstergriff zu kommen, und musterte noch einmal den seltsam ruhig wirkenden Raben, nur zwei, drei Meter von ihr entfernt. Sie hatte gar nicht gewusst, dass Raben so groß waren. Er hatte gut und gern die Größe eines Raubvogels und einen dicken, kräftigen Schnabel, der aussah, als könnte er Walnüsse knacken. Schwarze, eindringliche Augen, die sie aufmerksam ansahen. Über seinem Kopf schwebte ein fast wie eine Feder aussehendes winziges Gebilde, etwas an einem feinen Draht, der irgendwo in seinem Nackengefieder verankert schien.
Er legte den Kopf schief und sah sie merkwürdig intensiv an.
Sie studierte den Transponder an seinem Bein genauer und erkannte ein Raster von winzigen, metallenen Punkten. Ihr Blick wanderte wieder höher: Der Rabe musterte sie immer noch eingehend. «Hallo. Wo kommst du denn her?»
Der Vogel legte wieder den Kopf schief und ließ die perfekte Imitation einer Kettensäge los.
McKinney lachte und sah Haloren verblüfft an. «Ich wusste gar nicht, dass Raben Soundeffekte produzieren können.»
«Doch, die sind groß in akustischer Mimikry. Mein Doktorvater hatte einen Raben. Eine absolute Plage. Verwüstete regelmäßig das Büro des guten Mannes und hat mich von ganzem Herzen gehasst.» Haloren wedelte mit den Händen.
«Dann ahmt er wohl die Geräusche von Holzfällern nach?»
«Vermutlich.»
Sie sah wieder nach draußen, aber der Rabe war weggeflogen, da war nur noch ein wackelnder Ast. «Warum haben Sie ihn verscheucht?» Sie zog das Fenster zu und verriegelte es.
Haloren hielt ihr die Tür auf, machte aber keinerlei Anstalten, ihr etwas von dem schweren Kletterzeug abzunehmen. «Nach Ihnen …»
McKinney ging hinaus. «Schließen Sie ab.»
«Sehr wohl.»
Gleich darauf marschierten sie zügig die belebte unbefestigte Straße entlang, die mitten durch die Forschungsstation führte. Massai in westlicher Kleidung wie auch im traditionellen Kanga nickten ihnen lächelnd zu. Haloren sprach sie auf Suaheli an und erntete einige Lacher. Manche der Massai tippten auf Handys herum, besorgten sich die aktuellen Vieh- und Mango-Marktpreise aus der Stadt – eine seltsame Mischung aus Moderne und Tradition.
Haloren federte leichtfüßig neben ihr her, während sie schwer schleppte.
«Könnten Sie mir vielleicht tragen helfen?»
«Würde ich ja, aber ich glaube nun mal an die Gleichberechtigung von Frauen in der Wissenschaft. Apropos: Hat Adwele nicht schon eine Mutter?»
«Doch, aber ihm fehlt der Vater.»
«Und Sie wollen sich um die Position bewerben?»
«Er ist ein intelligenter Junge, und er wird jede Hilfe brauchen, die er
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