Kill Decision
vertraue Ihnen nicht. Sie haben mir keinen Anlass dazu gegeben. Woher soll ich wissen, dass Sie sind, was Sie zu sein behaupten?» Sie deutete auf das Büro um sie herum. «Und als ob das US-Militär noch nie etwas Unmoralisches oder Unethisches getan hätte. Überzeugen Sie mich. Überzeugen Sie mich, oder werfen Sie mich ins Gefängnis – weil ich niemandem helfen werde, dem ich nicht vertraue.»
Er fuhr sich durchs lange, widerspenstige Haar. «Herrgott, Sie sind wirklich ein harter Brocken. In Ihrer Akte stand schon, dass Sie schwierig sein würden.» Er stöhnte. «Also gut. Wir sind eine Elite-Aufklärungseinheit der US Army.»
«Spezialkräfte.»
«Nein. Die Existenz von Spezialkräften ist allgemein bekannt. Uns gibt es offiziell nicht.»
«Delta Force …»
«Nein. Nicht Delta Force. Das ist eine Terrorismusbekämpfungseinheit. Wir gehen vor denen rein. Allein und in aller Stille. Wir stellen fest, was am Boden Sache ist. Das ist alles, was ich versuche, Professor.»
McKinney beäugte ihn misstrauisch. «Was ist Ihr Dienstgrad?»
«Wofür ist das wichtig?»
«Ich will wissen, mit wem ich’s zu tun habe.»
«Ich bin Master Sergeant.»
«Sie schicken einen Sergeant? Ich hätte doch gedacht, die Hintermänner der Drohnenangriffe auf die USA ausfindig zu machen wäre mindestens einen Lieutenant wert.»
«Was ist das, Klassendünkel?»
«Nein, aber Offiziere gehen doch auf eine Militärakademie, wo sie angeblich lernen, Menschen zu führen und komplexe Operationen zu managen – wo sie sich mit Ethik auseinandersetzen. Ich meine, ich forsche an Insekten und habe dafür mein halbes Leben lang gelernt und studiert.»
«Zu Ihrer Information, ich habe auf jede Beförderungsmöglichkeit verzichtet, um in dieser Einheit zu dienen. In meiner Einheit ist jeder vom Dienstgrad her Sergeant – und bleibt es während seiner gesamten Dienstzeit.»
Sie war verwirrt.
«Offiziere werden vom Kongress ernannt. Das heißt, verantwortlich für ihr Tun ist letztlich die Zivilregierung. Unteroffiziere sind nur der Militärführung unterstellt. Unser Dienstgrad hat mit dem Bloßstellungsrisiko für die Regierung zu tun.»
«Heißt, Sie treiben sich auf der ganzen Welt herum und brechen Gesetze, und wenn Sie erwischt werden, verleugnen die Sie.»
«Heißt, ich bin derjenige, der Probleme lösen muss, ob es dafür nun einen internationalen Gesetzesrahmen gibt oder nicht. Und für Drohnen gibt es keinen.»
McKinney nahm ihm ab, dass er die Wahrheit sagte, schon deshalb, weil die Antwort sie zur Weißglut brachte. «Uniform tragen Sie offensichtlich nicht.»
«Unsere Spezialität besteht darin, uns unauffällig zu bewegen.»
«Sind Sie schon mal auf den Gedanken gekommen, dass die Anwesenheit amerikanischer Einheiten wie Ihrer in anderen Ländern überhaupt erst der Grund für diese Drohnenangriffe sein könnte?»
«Und glauben Sie wirklich, dass die Welt ein friedlicher Ort wäre, wenn wir uns nur heraushielten?»
«Ich behaupte nicht, dass die Welt voller Einhörner und Regenbögen ist. Ich habe zehn Jahre in der Dritten Welt verbracht. Ich kenne mich aus mit Korruption und Gesetzlosigkeit. Ich bin die Patin eines Jungen, dessen Vater von Elfenbeinwilderern getötet wurde. Ich verstehe also durchaus, dass die Zivilgesellschaft von Leuten mit Waffen verteidigt werden muss – aber diese Leute dürfen nicht über dem Gesetz stehen. Und Sie haben mir gerade erklärt, warum Sie Sergeant sind – um besser internationale Gesetze umgehen zu können.»
«Okay. Sie vertrauen Ihrer Regierung nicht. Aber wenn Sie Drohnen in den Händen von Amerikanern für etwas Schlimmes halten, dann stellen Sie sich mal welche vor, die von Nordkorea oder Burma kontrolliert werden oder von Drogenhändlern oder Dominionisten oder von AT&T. Wenn Sie sich für internationale Gesetze in Bezug auf diese Roboterwaffen stark machen wollen, dann wünsche ich Ihnen allen viel Erfolg – aber bis ihr Zivilisten dieses Scheißproblem geregelt kriegt, müssen mein Team und ich uns darum kümmern. Für mich ist das keine verflixte Theorie, okay? Mir geht es darum, ob Menschen in zukünftigen Kriegen noch Kämpfer sein werden oder nur noch Ziele. Das ist mir verdammt wichtig, wahrscheinlich wichtiger als Ihnen, also wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie jetzt Ihre Bedenken hintanstellen und verdammt noch mal mit anpacken würden.»
McKinney war verdutzt: Offenbar hatte sie es doch geschafft, an seiner gelassenen Überlegenheit zu kratzen. Endlich.
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