Kill Decision
Werden Sie mich irgendwo an einen Telefonmast binden und meine Daten als Lockfutter im Internet verstreuen, bis irgendwelche Drohnen kommen, um mich zu töten?»
Odin sah sie ungerührt an. «Ich hatte die Hoffnung, dass wir Sie nicht festzubinden bräuchten …»
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Schlaflos
Es war schon einiges nach Mitternacht, und Linda McKinney hatte seit drei Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Doch sie lag auch jetzt nicht im Bett, sondern saß an dem Schreibtisch in ihrem Zimmer, vor dem militäreigenen Laptop, der keinerlei Markenlogo trug. Sie klappte ihn auf und sah zu ihrer Überraschung, dass er bereits hochgefahren war. Sie schaute auf die Startseite eines Wikis.
Im schwachen Licht des Bildschirms erkannte McKinney neben dem Laptop eine gedruckte Karte mit Login- und Passwortinformationen sowie «Sicherheitsempfehlungen». Sie minimierte die Wiki-Seite und sah einen Ubuntu-Desktop, der ziemlich genauso eingerichtet war wie der auf ihrem eigenen Gerät. Okay, immerhin benutzten sie Open-Source-Software, und sie hatten sie gründlich genug ausgespäht, um auf diesem Leihcomputer Code::Blocks zu installieren. Zweifellos würden auch die Dateien ihres Weberameisen-Simulationsprojekts drauf sein.
Sie doppelklickte auf Firefox. Wie sie schon vermutet hatte, war das Gerät nicht online. Keine Verbindung zur Außenwelt. Stattdessen kam sie wieder auf die bereits geöffnete Wiki-Seite. Ganz oben stand der Titel «Task Force Ancile» mit dem Schildlogo von Ancile Services. Am linken Rand waren Links zu verschiedenen Kategorien: Aufklärung, Videos, Abwehr und noch vieles mehr.
Eine streng geheime Operation mit einem Logo. Ganz schön schräg.
McKinney klickte auf das Wort Ancile , und es erschien eine Erklärung, die besagte, es handle sich um den mythischen Schild des römischen Kriegsgottes Mars. Solange der Schild erhalten bleibe, habe es geheißen, werde Rom die Weltherrschaft innehaben.
Die Weltherrschaft, aha?
Über die Welt zu herrschen stand nicht auf ihrer persönlichen Prioritätenliste. Sie klickte sich auf die Hauptseite zurück und überflog die Kategorien abrufbarer Information. Robotik, KI-Algorithmen, Forensische Analyse und dergleichen mehr.
Sie klickte auf einen Link namens Angriffsszenen . Er führte auf eine Seite mit Dutzenden Thumbnails. Ein kurzer Einführungstext besagte, dass es sich um Videos handle, die auf diverse Offshore-Aggregatorenseiten hochgeladen worden seien. Also offenbar Live-Videoclips von erfolgten Angriffen, vermutlich von Beobachterdrohnen gedreht – solchen wie der, die vor ihrem Bungalow in Tansania herumgesurrt war.
McKinney klickte auf das erste Video-Thumbnail. Es vergrößerte sich zu einem Vollbild-High-Definition-Video von mehreren Männern, die auf einem gepflegten Green irgendwo auf der Welt Golf spielten. Kein Ton. Der Blickwinkel verschob sich leicht, als ob sich die Kamera an einem beweglichen Objekt befände. Die Männer standen auf dem sattgrünen Golfrasen herum und sahen zu, wie einer von ihnen zum Putten ansetzte.
Plötzlich explodierte die Szene. McKinney zuckte entsetzt zurück, als es Körperteile regnete. Merkwürdigerweise war da kein Krater in dem Rasen, der jetzt qualmte, gleichzeitig aber nass von Blut war. Wie es schien, war die Bombe über dem Boden explodiert – mit verheerender Wirkung. Sie machte das Fenster zu und starrte erschüttert auf die Angriffsszenen -Seite. Da gab es noch mindestens ein Dutzend Videos.
«Großer Gott.»
Mehr wollte sie nicht sehen. Wie waren die Videos entdeckt worden? Und von wem? Im Kommentarbereich schien man die Frage immer noch zu erörtern: Beiträge mit Benutzernamen, die ihr nichts sagten, aber auch dem einen oder anderen, den sie kannte – Experte Drei, Hoov, Gumball.
Sie ging auf die Hauptseite des Wikis zurück und klickte auf den Link zu einem Schaubild sämtlicher Drohnenangriffsorte. Es war eine Karte der USA mit zwei, drei Dutzend roter Punkte, die meisten an den Küsten, einige aber auch im tiefsten Mittelwesten. Als sie mit dem Mauszeiger auf die Punkte ging, erschienen jeweils ein paar grundlegende Angaben: GPS-Koordinaten, Zahl der Toten und Verletzten und ein Link zu weiterer Information. Sie klickte auf einen Angriff in Urbana, Illinois. Sie erinnerte sich, dass er vor ein paar Monaten als Terrorbombenanschlag in einem Park durch die Medien gegangen war. Sechs Tote. Ein Dutzend Verletzte. Eine eigene Seite mit den Namen und Fotos der Opfer erschien, dazu grausige
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