Kill Decision
in Kansas City – unter völliger Umgehung aller Einreisekontrollen und Maßnahmen zur inneren Sicherheit. Dasselbe hätten wohl auch Schmuggler getan. Wusste sie denn mit Sicherheit, dass sie sich auf einem US-Militärflughafen in Wiesbaden befunden hatte – oder überhaupt in Deutschland? Es war dunkel gewesen. Sie hatte draußen ein paar Männer in Uniform gesehen. Und Büros und US-Army-Insignien, aber woher wusste sie, dass es nicht einfach ein Flughafenbüro irgendwo gewesen war? Militärtransportmaschinen oder Kampfflugzeuge hatte sie nicht zu Gesicht bekommen.
Die Angriffe gab es wirklich, sie waren seit Monaten in den Nachrichten. Aber wenn das hier die Leute waren, die dahintersteckten, konnten sie doch leicht dieses ganze Videomaterial für sie aufgefahren haben. Aber warum sollten sie sie täuschen wollen? Um sie dazu zu bringen, ihnen zu helfen?
Was wusste sie wirklich?
Sie glaubte schon, dass sie in Kansas war – die Highway-Schilder, die Autos und Gewerbebetriebe auf dem Weg hierher. Sie war in den USA. Und die waren doch wohl immer noch ein Rechtsstaat.
Sie ging ins Bad, ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und wusch sich das Gesicht. War es nur der Schlafmangel, der sie paranoid machte?
Warum sollte sie auch nicht paranoid sein? Sie war gekidnappt worden, von Leuten, die über beträchtliche Ressourcen verfügten und ständig von Roboterkrieg unter Verwendung ihrer Ameisenalgorithmen sprachen. Und die sie als Köder für einen Drohnenangriff benutzen wollten – den sie vielleicht selbst verüben würden, was wusste sie denn schon?
McKinney ging im Zimmer umher und suchte nach Kameras. Zu sehen war nichts. Aber sie wusste, dass Kameras mittlerweile auf einen Stecknadelkopf passten. Sie sah sich im Spiegel über der Kommode – wie eine Gefangene mit ihrem kurzen braunen Haar, ihrem Cornell-T-Shirt und dem Trainingsanzug oder wie ein Mitglied eines New Yorker Ablegers der RAF. Mager und wirr, durch das blaue Licht und die Schatten doppelt dramatisch. Sie lachte fast schon hysterisch. Wenn ihr Vater und ihr Bruder sie jetzt sehen könnten, was würden sie sagen? In eine internationale Spionagegeschichte verwickelt. Absolut lächerlich.
McKinney wurde wieder ernst. Sie musste wissen, was hier in diesem Komplex vor sich ging. Fragen zu stellen reichte nicht. Es war Zeit, sich Fakten zu beschaffen.
Sie ging an die Zimmertür, legte das Ohr an die Türfüllung und horchte. Draußen war alles still. Vorsichtig öffnete sie die Verriegelung und drückte dann die Klinke. Sie zog die Tür so weit auf, dass sie den Gang nach beiden Seiten entlangspähen konnte. Zu hören war nur das Surren der Deckenleuchten. Keine Kameras zu sehen, obwohl oben an den Wänden Sensoren waren, Rauchmelder, Sprinklerköpfe und dergleichen.
Die Luft schien rein zu sein, also trat sie auf den Gang hinaus und ging nach links, in die Richtung, aus der sie am Vortag mit Foxy gekommen war, vorbei an den anderen nummerierten Türen. Von irgendwoher hörte sie Schnarchen. Es wurde leiser, als sie weiterging, und kurz darauf kam sie an eine T-Kreuzung mit einem anderen Gang, gesichert mit Feuertüren, die derzeit von Magnetvorrichtungen offen gehalten wurden. Sie spähte um die Ecke.
Der Quergang war breiter, und die Metallgeräusche und Stimmen kamen von links, aus der Garage. Sie wandte sich nach rechts, wo der Gang zu einer weiteren T-Kreuzung führte, ohne dass irgendwelche Türen sichtbar waren. Sie beschloss, hocherhobenen Hauptes in der Mitte des Gangs zu gehen. Als wäre nichts.
An der Gangkreuzung angelangt, bog sie resolut um die linke Ecke und prallte gegen eine geschlossene Tür. Die hatte eine Art Sensorschloss mit einem glimmenden roten LED-Licht über der Klinke. McKinney machte kehrt und nahm den weißen, von Hellholztüren gesäumten Gang, der nach rechts führte. Sie sah, dass er ebenfalls an einer geschlossenen Tür endete, wo sie jedoch kein rotes LED über der Klinke entdecken konnte.
Durch eine der Türen, an denen sie vorbeikam, drangen leise Stimmen. Sie blieb stehen und horchte, hörte Funkrauschen, dann unverständliche Sprechfunkfetzen. Dann mehrere Leute, die eine Fremdsprache sprachen. McKinney trat vorsichtig an die Tür und legte das Ohr daran.
Eine Männerstimme sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Vielleicht Russisch?
Das jähe, durchdringende Krächzen eines Raben ließ sie erschrocken herumfahren. Da, auf einem rechtwinklig von der Wand abstehenden
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