Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
Irgendwie. Wenn nur Harold dabei gewesen wäre …
Ich bin alleine hier, erinnerte sie sich. Und ich mache mich ganz gut.
Nun würde alles leichter sein.
Sie würde es nächste Woche mit einem neuen Stück versuchen. Vielleicht hätte sie bald genug Mut, um allein in einem guten Restaurant zu speisen.
Vielleicht würde sie sogar einen Mann treffen, der so wundervoll wie Harold war.
Sich verlieben. Gott, das wäre doch etwas!
Seufzend zog sie ihren Mantel wieder an. Im Foyer war es heiß, deshalb knöpfte sie ihn nicht zu. Als sie in der Meute steckte, die sich auf den Ausgang zubewegte, wünschte sie, den Mantel gar nicht angezogen zu haben. Menschen drückten sich an sie. Die Luft schien heiß, schwer und erstickend.
Bis sie endlich die Tür erreicht hatte.
Die kalte Herbstnacht war großartig.
Sie atmete tief ein. Die Luft unter der Theatermarkise war geschwängert vom Duft unzähliger Parfums, dem Moschus männlicher Aftershaves, dem Aroma von Likör und dem Rauch von Zigaretten und Zigarren. Ob diese Düfte nun exotisch oder tröstend oder widerlich waren, sie erregten Janet. Es waren alte, vertraute Freunde. Sie füllte ihre Lungen und lächelte.
Es ist so wundervoll, dachte sie. Endlich bin ich wieder in der Welt.
Sieh mich an, Harold. Ich bin nicht verwelkt und gestorben. Ich wollte es, konnte aber nicht. Ich habe überlebt.
Die Menge verlor sich, als die Menschen in verschiedenen Richtungen entschwanden. Janet hielt inne, um sich daran zu erinnern, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte.
Der Parkplatz. Diese Richtung. Sie wandte sich nach rechts.
Und sie machte nur drei Schritte, bis eine Stimme schrie: »Mörderin!«
Janet drehte sich um, als eine Frau rief: »Nein!«
Sie sah sie am Straßenrand. Alt, zerbrechlich, mit silbernem Haar, in eine Nerzstola gehüllt. Sie wedelte mit den Armen, als sie von zwei jungen Frauen eingeholt wurde. Die beiden sahen bösartig aus.
»Mörderin!«, schrie die Dünne der alten Frau ins Gesicht.
»Alte Schlampe!«, schrie ihre Genossin, eine tonnenförmige Frau mit strähnigem braunen Haar. »Diese Nerze sind für deine Sünden gestorben!«
Beide Frauen griffen in ihre Handtaschen. Janets Herz pochte. Sie dachte, sie suchten nach Pistolen. Doch sie brachten Sprühdosen mit Farbe zum Vorschein.
»Nein, bitte!«, wimmerte die alte Frau.
Rote Farbe bespritzte ihre Hände, als sie nach hinten taumelte und zu entkommen suchte. Etwas von der Farbe war trotz ihrer Hände auf ihr Haar, ihre Stirn und ihre Brille gelangt.
Mindestens zwanzig Menschen schienen unter der Theatermarkise zu Eis zu erstarren und dem Angriff zuzuschauen.
Warum versuchte niemand, ihr zu helfen?
Weil die Angreifer Frauen waren? Oder waren all die Zuschauer auf deren Seite und hassten die alte Dame, weil sie Pelz trug?
Die Dame, eingekeilt von den beiden, winselte und schützte ihren Kopf, als man sie besprühte. Von ihrem Haar triefte rote Farbe. Der Pelz ihrer Stola war scharlachrot.
»Lasst sie in Frieden, verdammt noch mal!«, schrie Janet.
Die Köpfe beider Angreiferinnen wandten sich ihr ruckartig zu. Die Dicke blinzelte durch Brillengläser, die mit roter Farbe gesprenkelt waren. Runde Gläser im Drahtgestell. Eine Großmutterbrille.
»Sie hat euch nichts getan!«, schrie Janet. »Seht, was ihr mit ihr gemacht habt! Was ist los mit euch?«
Die mit der Großmutterbrille grinste. Die Dürre hob die Sprühdose über ihren Kopf. »Hört her, ihr kapitalistischen Arschlöcher! Wir sind die Stoßtrupps der Tierschutzfront. Was ihr hier gesehen habt, ist eine Lektion. Das tun wir mit Arschlöchern, die wir in toten Tieren erwischen. Ihr habt lange genug Mutter Erde vergewaltigt! Ihre Wälder vernichtet, ihre Luft und ihr Wasser vergiftet und ihre unschuldigen Geschöpfe abgeschlachtet. Ihr habt ihre Geschöpfe ermordet! Ihre Köpfe eingeschlagen. Ihre Kehlen durchschnitten. Mit ihnen Experimente gemacht! Ihr Fleisch gegessen! Euch in ihre Haut gekleidet! Genug davon! Genug davon!«
»Genug davon!«, stimmte die Dicke mit ein.
»Tierschutzfront für immer!«
»Tierschutzfront für immer!«
»Schnappen wir sie uns!« Die Dürre stieß die alte Dame zur Seite und jagte auf Janet zu.
Die andere grinste.
Janet eilte davon.
Der enge Rock ihres Abendkleides band ihre Beine, doch nicht für lange. Bei ihrem dritten Schritt stieß ihr Knie durch den Stoff. Ein Tritt, und ein Riss zog sich vom Saum zur Taille und sie konnte jetzt rennen.
Menschen in der Nähe stoben davon, einige schrien
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