Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
vertraute Umgebung wahrnahm, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie sich auf direktem Weg zu Simon’s Deli befand.
Beim Gedanken an eines der berühmten Reuben-Sandwiches lief ihr augenblicklich das Wasser im Mund zusammen.
Wenn ich den Job kriege, dachte sie, esse ich wieder öfter dort zu Mittag.
Mit einem Lächeln fuhr sie weiter.
Schon bald tauchte ein Maschendrahtzaun zu ihrer Rechten auf. Sie nahm den Fuß vom Gas und fuhr langsam an einem Schild vorbei:
SCHULE IN DER NÄHE
40 KM/H
WENN KINDER IN DER NÄHE SIND
Es war Freitag, ein Schultag. Gegen Mittag.
Es waren Kinder in der Nähe.
Dutzende von Kindern. Oder nicht unbedingt Kinder. Eher Teenager.
Einen halben Block weiter trat ein Schülerlotse, der einen Schutzhelm, eine orangefarbene Sicherheitsweste und Jeans trug, vom Bürgersteig, hielt ein winziges STOP-Schild hoch und geleitete ein Dutzend Schüler über die Straße.
Sharon trat vorsichtig auf die Bremse, bremste und kam schließlich zum Stehen.
Der Schülerlotse nickte ihr zu, lächelte und stellte sich vor ihren Wagen. Er blickte nach vorn. Dann drehte er den Kopf kurz zur Seite.
Ihre Blicke begegneten sich.
Du bist aus der High School, stimmt’s?
Ha! Sehr gut! Du erinnerst dich ja doch!
»Verfluchte Scheiße«, murmelte sie.
Der Mann, der sich als Andy ausgegeben hatte, warf das STOP-Schild weg und rannte los.
Die Kinder brüllten und lachten ihn aus.
»Seht euch nur an, wie die Schwuchtel rennt!«, rief ein Junge.
Sie lachten umso lauter, als der Helm vom Kopf des Schülerlotsen flog.
Ihr Lachen verstummte jäh, als der Schuss ertönte.
Der Schülerlotse, der die Straße bereits halb überquert hatte, stolperte über den Asphalt und schlitterte weiter.
Die Kinder drehten ihre Köpfe und starrten Sharon an.
»Verschwindet von hier«, brüllte sie.
Sie rannten davon.
Es waren keine anderen Autos zu sehen.
Der Schülerlotse, dessen linke Wade blutete, stützte sich mühevoll auf Händen und Knien ab und sah sich nach Sharon um. »Lass mich in Ruhe!«, brüllte er.
Sie trat aufs Gas und raste auf ihn zu.
Er war nicht schnell genug, um ihr auszuweichen.
Ihr linkes Vorderrad zerquetschte ihm beide Füße.
Sie blieb auf seinem rechten Fuß stehen, stellte den Schalthebel auf Parken, zog die Handbremse an und ließ den 45er-Colt, Modell 1911 – der gleiche wie von Mike Hammer, der gleiche wie von Hal –, in ihren Schoß sinken.
Sie lehnte sich aus dem Fenster und sagte: »Ich mach dir ein Angebot. Ich verschwinde, wenn du mir sagst, wer ich bin.«
Der Schülerlotse schrie weiter.
»Was meinst du?«, rief sie. »Haben wir einen Deal?«
»Sharon!«
»Sharon wer?«
»Sharon Wade!«
»Sehr richtig.«
»Fahr von mir runter! Fahr von meinem Fuß runter! «
»Eine Abmachung ist eine Abmachung«, sagte Sharon. Sie fuhr ein Stück nach vorne und spürte, wie ihr Vorderrad über den Asphalt rollte. Als der hintere Reifen ein paar Zentimeter vor seinem Fuß zum Stehen kam, bremste sie den Wagen erneut ab.
»Oh! Danke! Danke!«
»Noch eine Sache«, sagte Sharon und schaute aus ihrem Fenster auf ihn hinab. »Wie hast du meinen Namen rausgefunden?«
»Die Nachrichten! Die Nachrichten! Es war überall in den Nachrichten!«
»Aber woher kanntest du ihn damals? «
»Ich … bin dir gefolgt … nach dem Mittagessen. Hab ihn … von deinem Fahrzeugschein.«
»Aber den bewahre ich im Handschuhfach auf. Bist du in mein Auto eingebrochen?«
»Es war … ja. Das musste ich.«
»Du hast geschummelt.« Sharon legte den Rückwärtsgang ein. »Zu dumm. Betrüger bringen es nie weit.«
Als der Reifen seinen Fuß erneut zerquetschte, durchschnitten seine Schreie die Mittagsluft. Sie überdeckten fast das Heulen der herannahenden Sirenen.
»Wollen wir das Ganze für die Notärzte noch ein bisschen interessanter machen?«, brüllte Sharon.
»NEIN!!!«
»Doch! Ich glaube schon.«
»BITTE!!!«
Sie streckte die 45er aus dem Fenster, zielte auf ihn und entlud die Pistole – alle fünf Hohlspitzgeschosse – komplett, wobei sie darauf achtete, die Treffer unter der Gürtellinie zu platzieren und keine lebenswichtigen Blutgefäße zu verletzen.
DER GREIFER
Mein alter Mitbewohner aus Collegezeiten, Clark Addison, rollte bei Sonnenuntergang mit einem Pick-up in die Stadt, einen brandneuen Stetson auf dem Kopf – ein schwerer Fall von Cowboyfieber.
»Und, wie steht’s mit dem Nachtleben in dieser Westernstadt?«, fragte er, nachdem er bei mir zu Hause einen Hamburger verdrückt
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