Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
Komm zurück.«
Sie hörte nichts als den Wind.
Was, wenn er nicht angehalten hat?
Diane verspürte eine eisige Übelkeit in ihrer Magengegend.
Er würde sie hier niemals zurücklassen. So etwas tat er nicht.
Sie ließ den Rucksack auf dem Felsen stehen und folgte dem Pfad.
Scott war nicht hinter dem Felsvorsprung. Der Weg vor ihr führte weiter bergauf und wurde von Felswänden und Steinbrocken gesäumt. Etwa 30 Meter weiter machte er eine Kurve und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Sie konnte Scott nirgendwo entdecken.
Entweder hatte er sich versteckt oder er war schon deutlich weiter.
»Du Scheißkerl!«, brüllte Diane.
Dann eilte sie zu der Stelle zurück, an der sie ihren Rucksack zurückgelassen hatte. Sie setzte ihre Mütze und ihre Sonnenbrille auf, schlüpfte mit den Armen durch die Trageriemen, lehnte sich nach vorn und hätte am liebsten losgeheult, als sie das Gewicht auf ihren Schultern spürte – wie die Hände eines Riesen, der alles tat, um sie zu Boden zu drücken.
Sie stapfte den Pfad hinauf.
Wie konnte er einfach abhauen und mich allein zurücklassen? Ich bin seine Frau.
Ich hätte ihn nicht heiraten sollen.
Sie hatte gewusst, dass er sich wie ein echter Mistkerl aufführen konnte. Aber diese Seite seines Wesens hatte sich bislang immer nur gegen Fremde gerichtet, nie gegen sie.
Wenn ich gewusst hätte, dass er mich je so behandelt …
Was, wenn ich ihn nicht wiederfinde?
Sie fand ihn fast zwei Stunden später auf einem hohen Felsen neben dem Pfad. Dort saß er und genoss die letzten Strahlen der Sonne. Zwischen seinen Zähnen steckte eine Maiskolbenpfeife und auf seinem Knie ruhte ein mit Rum gefüllter Flachmann. Er sah lächelnd zu ihr hinab. »Warum hat das denn so lange gedauert, Liebling?«
Diane zeigte ihm den Stinkefinger. Sie taumelte um den Felsen herum und sah ihr Nachtlager, umgeben von ein paar Bäumen. Er hatte das Zelt schon aufgebaut. Blasser Rauch stieg kräuselnd von einem prasselnden Feuer auf. Hinter dem Schlafplatz erkannte sie den See, dunkelblau im Schatten der kargen Granitfelswand, die sich am gegenüberliegenden Ufer erstreckte.
Sie schaffte es fast bis zum Zelt, riss sich die Trageriemen von den Schultern, ließ den Rucksack fallen und sank davor zu Boden. Sie atmete schwer, löste die Schnürsenkel ihrer Stiefel und zog daran. Ihre Füße gaben ein schmatzendes Geräusch von sich, als sie aus den Stiefeln rutschten. Ihre weißen Baumwollsocken waren dreckig und völlig durchnässt. An den Fersen und Zehen hatten sich rostrote Blutflecken gebildet. Sie pellte die Socken von ihren Füßen, sank rückwärts gegen den Rucksack und keuchte und zitterte.
Scott baute sich vor ihr auf.
»Ich wusste, dass du es schaffst«, sagte er.
»Fahr zur Hölle.«
»Okay, wie klingt das? Du ruhst dich einfach aus. Das Lager ist fertig und ich kümmere mich ums Abendessen.«
Er ging weg.
Diane blieb, wo sie war. Sie hockte auf dem Boden, den Rücken gegen den Rucksack gelehnt, die Beine ausgestreckt. Schon bald hatte sich ihre Atmung fast normalisiert. Aber der Wind kam ihr inzwischen stärker vor, kälter. Obwohl der Himmel noch immer hellblau leuchtete, war die Sonne hinter einen Bergrücken versunken und spendete ihr keine Wärme mehr. Außerdem bohrte sich irgendetwas auf dem Boden in ihre linke Pobacke und ihre Haut juckte unter den durchnässten Klamotten.
Sie fühlte sich elend, aber sie konnte sich einfach nicht überwinden, aufzustehen.
Sie wünschte sich, sie hätte die Kraft gehabt, aufzustehen und sich umzuziehen. In etwas Warmes, Trockenes zu schlüpfen. Sie wünschte sich, sie hätte Socken an. Warme, trockene Socken.
Ich werde mich nie wieder bewegen können, dachte sie.
Sie werden mich eines Tages hier oben finden, erfroren wie dieser Leopard auf dem westlichen Gipfel des Kilimandscharo. Und sie werden sich fragen, was ich hier oben zu suchen hatte.
Getötet von einem Arschloch.
Das genau in diesem Moment an ihr vorbeitrottete und die Maiskolbenpfeife gerade lange genug aus dem Mund nahm, um zu sagen: »Du solltest nicht einfach nur so daliegen. Du holst dir sonst eine Unterkühlung oder so.«
»Danke für die Warnung«, brummte sie.
»Möchtest du, dass ich dir was besorge?«
»Ja. Eine Scheidungsurkunde.«
Er kicherte. »Ich glaube, ich mach noch eine kleine Erkundungstour am Seeufer, bevor ich mit dem Kochen anfange. Willst du mit?«
»Gott, nein, wirklich nicht.«
Er trabte davon.
Diane war froh, ihn los zu sein. Nach ein paar
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