Kill for Fun: Gnadenlose Geschichten (German Edition)
Minuten schaffte sie es, sich aufzusetzen. Sie krabbelte zur anderen Seite des Rucksacks, kniete sich davor und öffnete ihn. Sie warf ihren zusammengerollten Schlafsack in Richtung Zelt, holte ihre Jacke heraus und breitete sie auf dem Boden aus. Kurz darauf war es ihr außerdem gelungen, ein frisches Paar Socken, eine Jogginghose und ein Kapuzensweatshirt herauszufischen.
Sie zog die Socken über ihre empfindlichen, wunden Füße und stellte sich auf die Jacke. Sie blickte sich um. Von Scott keine Spur. Zitternd streifte sie ihre kalten, feuchten Klamotten ab. Sie beugte sich nach unten, hob die Jogginghose auf, fädelte einen Fuß in die linke Öffnung und tastete damit nach dem Loch am Knöchelende, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht. Sie taumelte rückwärts und gab sich alle Mühe, auf den Beinen zu bleiben.
Sie landete auf dem Rücken, die Füße in der Luft.
Der Boden fühlte sich nass und kalt an. Zweige und Steine bohrten sich in ihre nackte Haut.
»Großartig«, fluchte sie und ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. »Einfach großartig.«
Dann sah sie jemanden hoch oben aus den Ästen eines Baums ganz in der Nähe auf sie herunterstarren.
Nun, eigentlich war es kein Jemand .
Und eigentlich starrte er auch nicht wirklich.
Es war ein Skelett. Samt Schädel mit leeren Augenhöhlen.
Es schien dort oben zu sitzen, die grauen Knochen seiner Beine über einen Ast gespreizt, den Rücken gegen den Stamm gelehnt, den Schädel nach vorne geneigt, als ob es sie beobachten wollte.
Diane hatte das Gefühl, dass eiskalte Finger ihre Eingeweide zusammenquetschten.
Sie schlüpfte mit beiden Beinen in die Jogginghose und rappelte sich hastig auf, wischte sich den feuchten Dreck vom Hintern ab und zog die Hose bis zur Taille hoch.
»Scott!«, brüllte sie. »Scott, komm zurück!«
Sie hörte nichts als den Wind.
Es ist nur ein Skelett!, beruhigte sie sich selbst. Nichts, wovor man sich fürchten müsste.
Zitternd warf sie sich das Sweatshirt über den Rücken. Sie hielt es an den Ärmeln fest und schwenkte es ein paarmal hin und her. Dann zog sie es an und klopfte ein wenig Dreck, kleine Blättchen und abgebrochene Zweige von der Vorderseite ab. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und umklammerte die Brüste durch den weichen Stoff.
Mit gebeugten Schultern und zusammengepressten Beinen stand sie zitternd da und sah zu dem Skelett hoch.
Es schien wirklich auf sie hinabzustarren.
Nur ein Haufen Knochen, versicherte sie sich selbst. Es beobachtet mich nicht. Es ist tot. Es hat keine Augen und kein Gehirn. Nichts als Knochen. Es ist nicht lebendiger als ein Stein.
Es weiß noch nicht mal, dass ich existiere.
Wir müssen hier weg!
Diane kniete sich auf ihre Jacke und durchsuchte ihren Rucksack, bis sie ihre Turnschuhe gefunden hatte. Sie zog sie schnell an, zuckte schmerzerfüllt zusammen, als sie sich aufrichtete, schnappte sich ihre Jacke und humpelte auf den See zu.
Sie trat auf eine flache Felsplatte, die ins Wasser hineinragte. Von dort konnte sie Scott erkennen, der an der Nordspitze des Sees über die zerklüfteten Granitbrocken kletterte. Sie rief seinen Namen. Er drehte den Kopf und winkte ihr zu, wollte, dass sie zu ihm kam.
»Nein, komm du her!«, rief sie. »Schnell!«
Er zuckte mit den Schultern und lief zurück in ihre Richtung.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«, wollte er wissen, ganz offensichtlich genervt, weil Diane seine Erkundungstour unterbrochen hatte.
»Wir haben Besuch«, antwortete sie.
Scott hob die Augenbrauen, blickte in Richtung ihres Zelts und schüttelte den Kopf. »Wovon sprichst du?«
Sie deutete auf die hohen Äste des Baumes.
»Ich seh nichts.«
Alles, was Diane sehen konnte, war ein knochiger Fuß. Der Rest des Skeletts hatte sich hinter Zweigen und Blättern versteckt.
»Was ist denn da? Eine Eule oder so?«
»Das wirst du schon sehen.« Sie ging voran und blieb neben ihrem Rucksack stehen, an derselben Stelle, an der sie sich umgezogen hatte. Von dort aus bot sich ein freier Ausblick auf das komplette Skelett. Sie zeigte darauf. »Das ist keine Eule«, sagte sie.
Sie beobachtete Scott. Als er das Ding sah, riss er die Augen ganz weit auf und seine Kinnlade klappte herunter. Nach ein paar Sekunden verzog er sein Gesicht zu einem Lächeln und blickte Diane an. »Na und?«, fragte er. »Ein Skelett.«
»Nichts na und! Ich verbringe hier nicht die Nacht. Nie und nimmer. Keine Chance.«
Scott grinste sie höhnisch an.
»Ich mein’s
Weitere Kostenlose Bücher