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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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verfiel. Das zweite Mal innerhalb von weniger als vierundzwanzig Stunden. Kein Wunder, dass mein Körper gegen mich rebellierte. Im Augenblick mochte ich mich auch nicht besonders.
    Jesse, Darryl und Yul waren tot. Ich würde sie nie wieder bei der Arbeit sehen. Wir würden nie wieder zusammen ein Bier trinken oder uns im Fernsehen Baseball ansehen. Auch die neue CD von Mastodon hatten wir uns noch nie zusammen angehört. Wir würden einander keine Witze mehr erzählen. Darryl würde nie wieder über seine Exfrau schimpfen. Jesse würde nie wieder eine nackte Frau sehen. Yul würde Kim nie wieder sagen können, dass er sie liebte. Sie waren weg. Tot. Genau wie einige unschuldige Polizisten – in Ausübung ihrer Pflicht abgeschlachtet von einem russischen Arsch, der immer noch aufrecht herumlief, obwohl ihm das halbe Gehirn durch den verfluchten Hinterkopf gepustet worden war. Die Beamten waren allesamt tot, genau wie meine Freunde.
    Und alles wegen irgendeines verdammten Mists.
    Alles wegen Sondra.
    Die Schlampe.
    Ich hatte es immer gehasst, wenn Männer Frauen als Schlampen bezeichneten. Es missfiel mir, wenn ich es bei der Arbeit oder in einer Bar hörte. Ich mochte es nicht, wenn es in den Texten der Musik vorkam, die ich hörte. Ich hielt das für frauenfeindlichen Mist, der zusammen mit Rassismus und Homophobie schon längst hätte abgeschafft werden sollen. Aber ungeachtet dessen, was ich hinsichtlich des Begriffes empfand, dachte ich in diesem Augenblick genau das über Sondra, denn das war sie.
    Ihre Lügen schmerzten so sehr wie meine Kopfhaut.
    Meine Sicht und meine Gedanken wurden klarer. Ich konzentrierte mich auf meine Wut. Sie verlieh mir Kraft, hielt mich aufrecht, gab mir einen Zweck, einen Grund zu leben. Dann jedoch wich das Gefühl wieder der Angst.
    Draußen explodierte etwas, und die gesamte Maschinenwerkstatt erzitterte. Kaputte Lampenhalterungen schwankten hin und her. Große Brocken gelben Verputzes fielen von der rissigen Decke. Glas zerbarst und spritzte auf den Boden.
    Was immer explodiert war, es musste etwas Großes gewesen sein. Der Helikopter vielleicht, oder einer der Streifenwagen. Ich hörte draußen Flammenknistern und roch brennenden Kraftstoff. Die Erschütterungen setzten sich fort und erfassten das Regal, an dem ich sitzend lehnte. Staub rieselte auf mich herab. Ich nieste; Blut spritzte aus dem Loch, wo sich mein Zahn befunden hatte. Schwarze Rauchschwaden trieben durch die zerbrochenen Fenster.
    Sondra ...
    Die körperlichen Schmerzen waren nichts im Vergleich zu dem, was ich in meinem Innersten empfand. Die emotionalen Qualen, der Verrat. Alles war Sondras Schuld gewesen. Alles war wegen ihrer Lügen passiert.
    Ich hatte nur versucht zu helfen. Aber wie hieß das alte Sprichwort? Keine gute Tat bleibt ungestraft. Ich war bestraft worden – im Überfluss. Ich hatte meinen kleinen Freund das Denken für meinen Kopf übernehmen lassen, und letztlich hatten eine Menge unschuldiger Leute den Preis für meine Dummheit bezahlt. Für mein Verlangen.
    Ich war einsam gewesen. Dann war Sondra in mein Leben getreten, und ich war nicht mehr einsam.
    Und nun war ich wieder allein, einsamer als je zuvor. Verlassen und vergessen, genau wie dieses Gebäude. Ich fiel auseinander, hatte keine Freunde mehr. Frauen kommen und gehen, aber Freunde bleiben immer, stehen einem durch dick und dünn bei.
    Bis eine Frau dazwischen gerät.
    Ja, Vieles war Sondras Schuld. Sie war schuldig.
    Aber ich war es auch.
    Und das bereitete mir die schlimmsten Schmerzen von allen.
    Ich schloss die Augen und schauderte, wartete darauf, dass die Welt endete, dass mich die Bullen verhafteten oder Whitey mich fand und von meinem Elend erlöste. Was davon, war mir egal, solange es nur das Leid aufhören ließ.
    Plötzlich spürte ich warmen Atem im Gesicht. Kühle Hände strichen über meine Stirn und streichelten meine Wangen, sanft wie Schmetterlinge. Finger betasteten meinen Hals, ehe sie wieder verschwanden. Ich hörte zu meiner Rechten eine raschelnde Bewegung und roch Parfum – einen vertrauten Duft. Langsam öffnete ich die Augen. Sondra kauerte neben mir und spähte durch das Fenster zu Whiteys Konfrontation mit der Polizei. Ihre Miene verriet mir darüber, wie es den Beamten erging, alles, was ich wissen musste.
    »Hey.« Meine Stimme hörte sich kratzig an. Ich versuchte, noch mehr zu sagen, doch es gelang mir nicht. In Anbetracht dessen, wie ich mich fühlte, kam selbst jenes einzelne Wort einer Endlosrede

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