Kill Whitey
gleich.
Sondra schrak mit geweiteten Augen vor mir zurück. »Larry«, stieß sie hervor. »Du bist nicht tot?«
»Nein.« Blut tropfte mir übers Kinn.
»Ich denke, du bist tot.«
»Noch nicht.«
Sie schaute zum Fenster. »Whitey ist auch nicht tot.«
Ich versuchte, mich aufrechter hinzusetzen. »Na, sieh mal einer an.«
»Wir gehen jetzt«, flüsterte sie. »Weg, bevor sie uns finden. Du kannst stehen, ja?«
»Nein, ich glaube nicht.«
Sie bewegte sich auf mich zu. »Ich dir helfe.«
»Spar dir die Mühe.« Ich verstummte kurz und holte tief und schmerzlich Luft. »Und hör auf zu dichten.«
»Was du meinst mit ›dichten‹? Ich verstehe nicht.«
»Du verstehst mehr, als du zugibst. Und du weißt sehr wohl, was ich mit ›dichten‹ meine. Es bedeutest, dass du mit dem Blödsinn, mit all den Lügen aufhören sollst. Du interessierst dich einen Scheißdreck für mich oder sonst jemanden, also spar dir dein falsches Mitgefühl für einen deiner Freier auf.«
Sondra zuckte zusammen, als hätte ich sie geschlagen. Trotz meiner Schmerzen grinste ich. Es fühlte sich gut an, sie nach allem, was sie mir angetan hatte, auf diese Weise zu verletzen.
»Larry, du bist verletzt. Du nicht weißt, was du sagst.«
»Ich weiß verdammt genau, was ich sage, du verfluchte Hure. Du hast mich belogen, und deshalb sind meine Freunde tot. Du hast mich von dem Moment an benutzt, als Darryl und ich dich unter meinem Auto gefunden haben. Wir hätten dich dort lassen sollen, als wir die Chance dazu hatten.
» Njet. «
» Njet «, höhnte ich. » Njet, njet, njet ... Sprich Englisch oder verreck, du Schlampe! Denkst du, deine Heldin Jennifer Aniston redet so? Glaubst du, sie stiefelt den ganzen Tag rum und sagt: › Njet ‹? Verdammt noch mal, nein. Du bist in Amerika. Lern die beschissene Sprache. Die halbe Zeit ergibt dein Gefasel Sinn, die halbe Zeit hörst du dich wie eine bescheuerte Schwachsinnige an.«
Eine vereinzelte Träne rann über Sondras Wange. Sie sprach kein Wort, gab keinen Laut von sich, sondern starrte mich nur mit erschrockenem, verletztem Blick an. Ich beobachtete, wie die Träne über ihr Kinn kullerte und schließlich zu Boden fiel. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Etwas Dunkles regte sich in mir. Ich wollte ihr auf dieselbe Weise wehtun wie sie mir. Ich wollte weitere Tränen. Eine reichte schlichtweg nicht. Nicht einmal annähernd.
»Du bist wie alle anderen«, zischte sie. »Du bist ein schlechter Mensch.«
Dann erfüllte sich mein Wunsch. Der ersten Träne folgten weitere. Die Schleusen waren geöffnet, und die Tränen strömten ihr nur so über die Wangen. Sondra vergrub das Gesicht in den Händen und weinte.
Eine Sekunde lang fühlte ich mich wegen meiner Worte schuldig, dann jedoch erinnerte ich mich daran, wie Darryl auf meinem Küchenboden ausgesehen hatte, und daran, wie sich Yul bei seinem letzten Atemzug angehört hatte. Die Dunkelheit in mir schwoll an, verschlang meine Schuld und ersetzte sie mit einer grimmigen Genugtuung. Mit gestählter Entschlossenheit setzte ich mich höher auf und holte erneut tief Luft.
»Die Wahrheit schmerzt, was, Sondra? Aber weißt du, was noch schlimmer schmerzt? Weißt du, was wirklich an mir nagt? Dass ich genauso schuldig bin. Dass ich zugelassen habe, was du mir angetan hast.«
Draußen ertönte eine weitere Explosion, gefolgt von weiterem Geschrei und Sirenen. Funkgeräte krächzten und Flammen knisterten. Qualm drang in die Maschinenwerkstatt. Sogar im Inneren spürten wir die Hitze. Zu den vereinzelten Schüssen gesellten sich die Salven automatischer Schnellfeuerwaffen, was bedeutete, dass die Sondereinsatztruppe des Bezirks York eingetroffen sein musste – samt kugelsicherer Ausrüstung, Granaten und Verhandlungsspezialisten für Geiselnahmen. Die Truppe hatte sogar einen ferngesteuerten Roboter, der in der Lage war, ein Gebäude allein zu stürmen. Ich hatte das mal in den Nachrichten gesehen, als er im Zuge eines Bankraubs eingesetzt worden war. Der Roboter konnte dieser verfluchten Geschichte ein äußerst schnelles Ende bereiten.
Es sei denn, Whitey hatte auch ihn bereits zu Schrott verarbeitet.
»Larry«, stieß Sondra schluchzend hervor. »Es ist nicht so. Ich dachte, du und ich sind besonders. Wir waren ...«
»Tu nicht so, als ob dir etwas an mir liegt«, fiel ich ihr ins Wort. »Du bist nur deshalb hier runtergekommen, weil du besser sehen wolltest, was draußen vor sich geht. Das hast du selbst gesagt. Du hast mich für tot
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