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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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hinter uns, folgte unserer Fährte wie ein entschlossener Beagle einem Hasen. Er war der Jäger, wir waren die Beute.
    Ja. Unser Erscheinungsbild stellte wirklich das geringste unserer Probleme dar.
    Vorerst mussten wir uns mit dringenderen Dingen beschäftigen.
    Ich fragte mich, was notwendig wäre, um Whitey ein für alle Mal den Garaus zu machen.
    Wie tötete man jemanden, der den Tod verkörperte?

21
    Zehn Minuten später gelangten wir zur einem vertikalen Schacht. Rostige, in die Wand eingelassene Eisensprossen führten zu einem Kanaldeckel knapp vier Meter über unseren Köpfen empor. Dünne Lichtstrahlen fielen durch die kleinen Löcher im Deckel ein. Ich kletterte die Sprossen hinauf. Meine Schuhe waren nass, weshalb ich einige Mal ausrutschte, aber es gelang mir stets, mich festzuhalten. Als ich oben ankam, lauschte ich dem Verkehr. Abgesehen von einem ständigen Piepton wie dem eines zurücksetzenden Müllwagens vernahm ich nichts.
    Ich schlang den linken Arm um eine der Sprossen, setzte den anderen Arm samt Schulter an dem Kanaldeckel an und presste. Er war zwar nicht festgeschraubt, aber verflucht schwer. Ich ächzte vor Anstrengung. Die Schmerzen in meinem Rücken und Nacken flammten wieder auf, doch ich ignorierte sie. Wir hatten es nicht so weit geschafft, um jetzt in der Falle zu sitzen, weil ich zu schwach war. Mit Sicherheit nicht. Ich schaute zu Sondra hinab. Sie spähte vom Boden des Schachts zu mir herauf. Ihr Gesicht zeichnete sich als vollkommenes Oval ab. Ich hatte immer gedacht, man müsste himmelwärts blicken, um einen Engel zu sehen, doch mein Engel befand sich in der anderen Richtung unter mir. Als sie mich anlächelte, fand ich neue Kraft. Ich drückte heftiger, und der Eisendeckel bewegte sich nach links, gab weiteres Tageslicht preis. Kurzzeitig geblendet blinzelte ich, dann schob ich den Deckel beiseite, kletterte aus dem Loch und wischte mir die Hände an der Hose ab. Als Sondra oben ankam, reichte ich ihr die Hand und zog sie heraus. Keuchend brachen wir auf dem Boden zusammen.
    Wir lagen auf dem Rücken und starrten zur Sonne empor. Ihre Wärme flutete über unsere Körper. Ich konnte mich nicht erinnern, je etwas so Wunderbares gespürt zu haben. Ich roch wilde Blumen und Gras, duftend und süß. Ein schwarzer und gelber Schmetterling landete auf Sondras Zehe und flatterte mit den Flügeln. Sie kicherte und seufzte. Eine Ameise kroch über meinen Arm. Ich verscheuchte sie, achtete jedoch darauf, sie nicht zu zerdrücken. Für einen Tag hatte ich genug Tod erlebt, mehr konnte ich nicht vertragen – nicht einmal den eines Insekts. Vielleicht hatte ich doch noch zur Religion gefunden. Vögel zwitscherten und sangen über uns. Das Piepen von der gegenüberliegenden Seite des Feldes setzte sich fort, allerdings leise genug, um nicht störend zu wirken. Sondra küsste mich, und ich erwiderte es. Unsere Zungen wanden sich umeinander. Ihr Mund fühlte sich feucht und warm an. Ein wohliger Schauder durchlief mich. Sie stöhnte leise. Wir umarmten uns, und ich fuhr mit den Fingern durch ihr weiches Haar.
    Das Paradies.
    Es war ein perfekter Augenblick, nur blieb keine Zeit, ihn zu genießen.
    Wir lösten unseren Kuss. Ich rollte mich herum, setzte mich auf und betrachtete unsere Umgebung. Wir befanden uns auf einem leeren Grundstück, etwa hundertfünfzig Meter von einem Holzverarbeitungsbetrieb entfernt. Ich erkannte den Ort auf Anhieb. Vor einigen Monaten war ich mit Darryl dort gewesen, um Schalungsplatten und Vierkantstaffeln zu besorgen, die sein Vater brauchte, um einen Kaninchenverschlag zu bauen. Die Erinnerung erfüllte mich mit Traurigkeit. Ich fragte mich, ob Darryls Eltern bereits wussten, was ihrem Sohn zugestoßen war, und falls ja, ob sie mir die Schuld daran gaben.
    »Woran denkst du?«, fragte Sondra.
    Ich schüttelte den Kopf. Wir waren weiter gekommen, als ich gedacht hatte. Die Abwassertunnel hatten uns an den Rand des Lake Pinchot und des State Park geführt, eine knappe Meile von dem Industriekomplex entfernt. Ich war viele Male zum Schwimmen und Angeln dort gewesen. Unlängst hatte es einige Kontroversen gegeben, weil der Landstrich rings um den See für Wohnbauzwecke umgewidmet worden war. Der Kanaleinstieg, aus dem wir geklettert waren, befand sich offenbar als Zugangspunkt für Arbeiter der Stadtmeisterei auf dem leeren Grundstück. Wahrscheinlich beabsichtigte man, hier künftig eine Wohnsiedlung zu errichten.
    Ich stand auf, wischte mir Unkraut vom Kopf und

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