Kill Whitey
zuckte zusammen, als meine Hand über meine Kopfhaut strich. Ich war so entspannt gewesen, dass ich die Verbrennungen völlig vergessen hatte. Mittlerweile schmerzten sie nur noch, wenn ich sie berührte. Ich fragte mich, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Blasen zerplatzten unter meinen Fingerspitzen. Flüssigkeit quoll daraus hervor. Meine Finger fühlten sich klebrig an.
Ich reichte Sondra die Hand und half ihr auf, dann deutete ich auf den Kanaldeckel.
»Hilf mir, den Deckel zurückzuschieben.«
Wir bückten uns und schoben die Finger in die Löcher des Deckels, doch bevor wir ihn bewegen konnten, ertönte ein Schuss. Am Boden des Schachts blitzte etwas auf. Die Kugel schlug in die Seite ein und ließ Betonsplitter aufspritzen. Sondra und ich duckten uns beiseite.
»Gottverdammt!«
»Ich bringe euch beide um!«, brüllte Whitey. »Wartet’s nur ab. Ich bringe euch beide um!«
Ich war nicht sicher, ob seine Worte Englisch, Russisch oder eine bizarre Mischung aus beidem darstellten, aber letztlich spielte es wohl keine Rolle. Whitey benutzte die Sprache der Raserei. Er verkörperte einen Linguisten der Gewalt. In seinem Wortschatz fanden sich tausende verschiedene Begriffe für Tod und Mord, und für mich bestand kein Zweifel daran, dass er vorhatte, jeden einzelnen davon auf uns anzuwenden.
Ein weiterer Schuss ertönte. Wir preschten über das Feld auf den Holzbetrieb zu. Das hohe Gras und Unkraut verhedderte sich zwischen unseren Beinen, und wir hatten Mühe, nicht zu stolpern und zu fallen. Insekten erhoben sich in die Luft, aufgeschreckt von unserem Lauf. Ein Grashüpfer landete in Sondras Haar. Sie packte ihn, zerquetschte ihn in der Faust und schleuderte ihn beiseite. Vermutlich nahm sie es nicht einmal bewusst wahr. Grüner Saft tropfte von ihren Fingern.
Vielleicht lag es nur an meinem Gehör, aber die Welt schien den Atem anzuhalten. Die Vögel verstummten. Der Piepton endete. Alles, was ich hören konnte, waren Sondras Keuchen und mein rasselnder Atem. Meine Lungen schmerzten ebenso sehr wie der Rest meines Körpers.
Hinter uns wurden weitere Schüsse abgefeuert, aber Whiteys Treffsicherheit schien ebenso im Eimer zu sein wie seine Stimme. Als der Beschuss aufhörte, wagte ich einen Blick zurück. Whitey schleifte das linke Bein hinter sich her. Es war unterhalb des Knies in unnatürlichem Winkel verbogen, verdreht und geknickt wie ein abgebrochener Ast. Er stolperte hinter uns her und warf die leere Handfeuerwaffe beiseite. Ich musste an all die Waffen denken, die wir zurückgelassen hatten. Sie erzählten eine Geschichte – eine, die niemand außer uns je glauben würde.
»Ich bringe euch um ...«
»Herrgott, Whitey«, brüllte ich. »Gib endlich auf, verdammt noch mal!«
»Niemals!«
Sondra und ich prallten gegen einen knapp zwei Meter hohen Maschendrahtzaun, der den Holzbetrieb umgab. Auf der anderen Seite befanden sich hohe Stapel aus Holz und Baumaterial – Verandaplatten, Steinblöcke und Mulchhaufen. Dahinter hörte ich Lastwagen und Gabelstapler. Wahrscheinlich waren die Schüsse von den Motoren übertönt oder als Fehlzündungen abgetan worden. Wir kletterten über den Zaun und sprangen zu Boden, dann huschten wir zwischen Paletten mit Eisenbahnschwellen und Zierleisten hindurch, um zu versuchen, Whitey in dem Labyrinth abzuschütteln. Hinter uns rasselte der Zaun, als der Russe dagegenprallte.
Kiefern- und Eichenduft stieg mir in die Nase, eine willkommene Abwechslung zum Gestank von Rauch und Abwasser. Wir gelangten auf einen weitläufigen asphaltierten Bereich. Zwei Männer standen müßig neben einem Pritschenwagen, tranken aus Plastikbechern Kaffee und lachten über etwas. Beide trugen gelbe Schutzhelme, orange Sicherheitswesten und Werkzeuggürtel aus Leder, beladen mit Hämmern, Messern, Maßbändern und ähnlichem Kleinkram. Sie bemerkten uns nicht. Aus dem Auspuff des Fahrzeugs quoll Rauch.
»Komm mit«, flüsterte ich Sondra zu. »Schnell, bevor sie uns sehen.«
Als wir über den Platz rannten, schrie Sondra auf. Ich drehte mich um. Sie kauerte auf Händen und Knien. Offenbar war sie gestolpert, wobei sie sich die Hände und Ellbogen aufgeschürft hatte. Blut tropfte von mehreren, schmerzhaft aussehenden Verletzungen. Ich lief zu ihr zurück und half ihr auf. Auf einem Fuß stehend, wankte sie hin und her. Mir fiel auf, dass die Wunde an ihrem Fuß wieder aufgebrochen war.
»Alles in Ordnung?«
Sondra schüttelte den Kopf. »Tut sehr weh.«
»Ich bin
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