Kill your friends
Leasingvertrag) waren die Buschmänner zufrieden. Levy hat ihnen einfach erzählt, wenn ihnen daran läge, dass die Aufnahme jemals das Licht der Welt erblickt, sollten sie besser seinen Namen mit in die Klammern hinter dem Titel schreiben und ihm auf diese Weise ein appetitliches Stück vom Tantiemenkuchen reservieren.
Levy war ein Musikindustriemogul in den Fünfzigern und Sechzigern – der guten, alten Zeit. Im Wilden Westen. Als Künstler noch taten, was man ihnen sagte, und glaubten, es sei Weihnachten, wenn man ihnen für jedes Pfund, das man verdiente, ein Honorar von einem halben Penny zahlte. Heute hat jeder Rotzbengel mit Demotape gleich einen Anwalt im Schlepptau, einen durchtriebenen Gauner, der, wenn er nicht gerade auf eine Honorarerhöhung pocht oder dich wegen ein paar extra Prozentpunkten zutextet, ständig zu verhindern versucht, dass man die Verluste wieder einfährt und dir alle fünfzehn Minuten mit einer Bilanzprüfung droht. Damals konnte man noch richtig Geld verdienen. Auch wenn Rudis Taktiken für jemanden, der mit Moral herumdilettiert, drakonisch anmuten, sind sie alles andere als neuartig.
Wenn einer von Rudis Kids einen Track fertig hat, für den sie sich halbwegs begeistern können, dackeln sie an einem Freitag- oder Samstagabend nach unten ins Technotron – wenn der Laden mit 2000 ihre Kiefer verrenkenden Krauts auf Pille bis unters Dach gefüllt ist – und lassen den DJ einen Testlauf machen. Geht die Crowd die Wände hoch, wissen sie, was zu tun ist. Dann wird das Stück auf Weißmuster gepresst, die vom dritten Stock aus an ausgewählte Club-DJs verschickt werden. Es ist die idiotensicherste Methode, eine Dance-Platte auf Markttauglichkeit zu testen, die jemals erfunden wurde. Sie hat Rudi nicht nur zu einem der erfolgreichsten Produzenten Europas, sondern auch zum vielfachen Millionär gemacht. Ich habe mehrere seiner Tracks für Großbritannien lizenziert und mir so Rudis unendliche Zuneigung verdient, indem ich mit den letzten beiden Top-Five-Hits landete: »My Baby Wants To Come« und »Doof! Doof! (This Is House)« – was für Titel, verfickte Deutsche.
»Wie auch immer«, sagt Rudi, »lass mich dich glücklich machen, Schteeven. Günter!« Er nickt seinem Lakaien zu, der die Play-Taste am DAT-Rekorder drückt. Der Raum scheint zu explodieren, als eine Bass Drum, lauter als die komplette marschierende Waffen-SS, aus den Lautsprechern ballert. Einen Moment später knallt eine irre Bassline dazwischen, und eine Frauenstimme steigt ein. Das Ding hämmert etwa eine Minute so weiter, bis eine zweite, männliche Stimme anfängt, unaufhörlich die Worte »Why don’t you, why don’t you, why don’t you, why don’t you …« zu wiederholen – bis schließlich alles in den Refrain mündet: »WHY DON’T YOU SUCK MY FUCKING DICK!«
Ich blicke auf. Rudi und Günter haben ihre Augen geschlossen – sind voll und ganz lost in music. Ich schiele nach links zu Darren, aber er weicht meinem Blick aus. Offensichtlich ist er in Panik, sonst in hysterisches Gelächter ausbrechen zu müssen. Oder einfach nur in Panik. Der Refrain baut sich weiter auf, Tribal Drums stampfen, und ein paar Typen kreischen: »WHY DON’T YOU SUCK MY FUCKING DICK!«
Nur, dass es eben mehr als stumpfes Gekreische ist, denn die verfickte Nummer ist ziemlich eingängig. Ein hartnäckiges Keyboard-Riff rankt sich um die Gesangsmelodie und versüßt sie.
Etwa nach der Hälfte kommt ein Break: Nun teilt der unvermeidliche Rapper dem Mädchen mit, sie solle gefälligst seine Eier lecken oder ihre Zunge in sein Arschloch stecken und Ähnliches. Schließlich kehrt der Refrain mit aller Macht zurück und baut sich zu einem gewaltigen Crescendo auf, bevor der Track abrupt endet und ein letztes, leidenschaftliches, souliges »SUCK IT« ertönt. Dann ist es vorbei.
Rudi verharrt einen Moment in andächtiger Stille, schwer atmend, mit bebenden Nüstern und geschlossenen Augen. Noch bevor ich etwas sagen kann, springt er auf und reißt die Arme in die Luft, als sei gerade der Schlusspfiff in einem siegreichen WM-Finale ertönt. »HAB ICH’S DIR NICHT GESAGT!«, brüllt er. »EIN KNALLER! UNSER BISLANG GRÖSSTER HIT!«
Ein paar Dinge liegen auf der Hand: 1. Rudi ist nicht mehr ganz bei Trost, aber das wussten wir ja bereits. 2. Offensichtlich würde kein Radiosender der zivilisierten Welt diese Platte auch nur mit der Kneifzange anfassen. 3. Das Stück ist unerträglich catchy.
»Wow«, sage ich, »Habt ihr’s schon
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