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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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hinunter.
    ***
     
    Das Backstage-Bierzelt ist zum Bersten voll. Unter Einsatz unserer Ellbogen kämpfen wir uns zum Gedrängel an der Bar durch. Ross, inzwischen abartig besoffen, sagt zur Empörung von Tony Crean, einem eingefleischten Liverpudlian und waschechten Scouser: »Das ist ja wie im verfickten Hillsborough-Stadion hier drin.« Debbie Harry von Blondie geht vorbei, von Kopf bis Fuß in Purpurrot gekleidet – gekrönt von einem roten Rosengebinde, das ihr als Hut dient. Sie sieht schockierend aus, wie eine heruntergekommene alte Hure, die den Verstand verloren hat. »Hey, Liebchen, was muss ich bei dir für ungeschützten Analsex hinblättern?«, ruft ihr Ross hinterher.
    Hinter der Bar sehe ich Dean Wengrow, der kürzlich von London Records zu Island gewechselt ist. Er winkt und tut dann so, als würde er sich vornüberbeugen und sich den Arsch versohlen, während er mir den erhobenen Daumen zeigt und sich dabei vor Lachen beinahe bepisst.
    Letzte Woche, nachdem ich in der verzweifelten Hoffnung, dass sich doch noch etwas, irgendetwas, zum Guten wenden könnte, den Veröffentlichungstermin bereits viermal verschoben hatte, wurde »Why Don’t You Slap Me On The Ass?« schließlich veröffentlicht. Es verkaufte genau 1112 Einheiten und chartete eine Woche lang auf Position 68, bevor es für immer verschwand. Jede verkaufte Platte hat uns hundert Pfund gekostet. Wir hätten sie genauso gut mit juwelenverzierten Platincovern ausliefern können.
    Game Over. Rien ne va plus. Aus die Maus.
    Ich wichse einen imaginären Schwanz in Wengrows Richtung.
    Wir lassen uns an der Bar gnadenlos volllaufen, bis irgendjemand verkündet, dass im »New Bands«-Zelt gleich die Lazies auf die Bühne gehen.
    »Kommt mit«, sagt Trellick, nachdem wir unsere Drinks ausgetrunken haben.
    Wir verkrümeln uns in eine Ecke der stickigen, überfüllten Bar. Darren – den wir zum Drogenkuli bestimmt haben – zaubert eine Tüte Ecstasy-Pillen hervor. Wir schmeißen uns alle eine ein und spülen sie mit einem Schluck bitteren, abgestandenen Bier herunter. Ross zieht eine Flasche Jack Daniel’s aus der Tasche, wir kaufen eine Rutsche Cola, kippen die letzten Reste Bier aus unseren Pappbechern und panschen uns eine Runde Rockschools zusammen. Dann lassen wir ein weiteres Mal die Kreditkarte herumgehen – und es kann losgehen.
    Wenn man vom Backstagebereich in Glastonbury aufs Festivalgelände geht, hat man den Eindruck, man würde aus einem drogenvernebelten Dorf heraus direkt in die Apokalypse eintauchen. Oder aus einem Feldlazarett aufs Schlachtfeld treten. Der Schlamm und die Verwüstung sind schlicht unfassbar. Es ist gerade mal Freitagnachmittag, aber wohin man auch sieht, erblickt man bereits grausame Verluste: fischäugige Scouser auf Trip, die seit drei Tagen nicht geschlafen haben. Schotten, Jocks, die sich ausschließlich von Speed und Bier ernähren und es trotz der ständigen Regengüsse hinbekommen, sich einen üblen Sonnenbrand zu holen. Heulende Teenagermädchen. Leblose Leiber (Leichen?) liegen zerstört im Schlamm, am Wegesrand lauern die Kaffer. Unter ihren Kapuzen ertönt das Gemurmel ihrer »Speed? Ähem, Aciiied? Chang?«-Mantras. Man begegnet 45-jährigen Kerlen mit bemalten Gesichtern, durchgeknallten Steuerberatern und Grundstücksmaklern auf Pilzen, die allesamt das feiern, was für sie DAS eine, große Wochenende des Jahres ist.
    Blitzeblank herausgeputzt, hellwach und dank Koks und Bourbon ausgesprochen gut drauf, kommt uns das alles wahnsinnig lustig vor. »Hallo, ihr Dreckspack!« zwitschern wir im Vorbeigehen strahlend in ihre roten, verwirrten Gesichter.
    Die Lazies spielen früh, es ist erst vier Uhr am Nachmittag, aber der Ansturm auf das Zelt ist unglaublich. Wir brauchen eine Ewigkeit, um uns an der Seite vorbei und dann nach vorne zu zwängen. Dunst steigt in dichten Wolken von den drängelnden, rempelnden Körpern vor der Grabenabsperrung auf. Als die Band die Bühne betritt, zähle ich nicht weniger als fünfzehn A&R-Leute um uns herum. Parker-Hall ist nicht in Sicht. Das sind doch mal positive Neuigkeiten. (Oder doch nicht? Was ist, wenn er es sich anders überlegt hat? Vielleicht sind die Lazies in Wirklichkeit scheiße. Wer weiß das schon?) Marcy kommt als Letzte auf die Bühne.
    Sie trägt einen schwarzen Catsuit, eng wie ein Gummihandschuh. Von der Bühne erhöht und von den Scheinwerfern angestrahlt sieht sie aus, als wäre sie vier Meter groß.
    »Senn-jazz-jonell!«, sagt Trellick. Die

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