Kill your friends
Parker-Hall sich in ein Meeting verpisste, von dem ich wusste, dass er es anberaumt hatte. Ich schlich über den Flur in sein Büro und machte mich hastig an seinem Computer zu schaffen. Ich speicherte den Inhalt der Diskette in einem Ordner ab, den ich als »persönlich« kennzeichnete. Dann legte ich diesen Ordner tief in einer willkürlich ausgewählten, abgelegenen Ecke seiner »Meine Dokumente«-Datei ab. Ich war mir sicher, unter den Hunderten von Dokumenten darin würde er eine weitere klitzekleine Datei niemals bemerken. Das Ganze dauerte keine zwei Minuten, und schon war ich zurück in meinem Büro, wo ich zwischen MTV und VH1 hin- und herzappte.
Meine Gedanken kehren zu dem Gespräch zurück. Del Mar sagt gerade: »Soma, Basic Channel, Peace Frog …«
Dex sagt: »Hooj Choons.«
»Jungs«, sage ich, stehe auf und pule einen Fünfziger für die Drinks aus meinem Geldbündel, »ich muss los.«
Beim Gehen sehe ich oben im Restaurant Paul Oakenfold sitzen, einen der DJs, die den Songbirds-Remix abgelehnt haben. Vor ihm auf dem Tisch steht ein Sektkübel mit Eis und einer Flasche Dom Pérignon. Außerdem ein Diktiergerät, dessen rotes Lämpchen leuchtet. Ein junger Typ sitzt ihm gegenüber, kaut auf einem Stift und nickt. Ein Interview. Als ich vorbeigehe, hämmert Oakenfold mit einem pummeligen Finger auf den Tisch ein, sieht dem Journalisten direkt in die Augen und sagt: »Ich bin der größte DJ der Welt. Der. Ganzen. Welt.« Seine winzigen Beinchen baumeln von der Bank, seine Füße – Kinderfüße – berühren kaum den Boden.
Oh ja. Seid auf der Hut vor den Kleinen, denke ich bei mir. Seid immerzu auf der Hut vor den Kleinen. Sie machen euch jederzeit fertig. Denn sie vergessen niemals. All das Leid, das sie in der Schule ertragen mussten. Immer und immer wieder, den ganzen Rest ihres erbärmlichen, kleinen Lebens. Irgendjemand muss dafür bezahlen.
Es wird jetzt richtig Herbst und allerhand passiert. Größtenteils nichts Gutes.
Eine komplette Wand im Haus muss ersetzt werden. Das bedeutet Wochen – Monate – und Tausende und Abertausende von Pfund, bevor ich die Scheißbude halbwegs mit Profit verkaufen kann.
»Fully Grown«, die Debütsingle der Songbirds, wird für die Radio-1-Playlist angefragt … und postwendend abgelehnt. Selbst die Music Week – in der Regel eine Publikation, die an jede in Großbritannien veröffentlichte Platte mindestens einen kleinen goldenen Stern vergibt – bezeichnet die Single als »irgendwie stumpf«.
Die Lazies bekommen das Cover des NME angeboten. Die Nachfrage nach ihrer Debüt-LP schießt dermaßen in die Höhe, dass sie absolut sicher in die Top Ten einsteigen. Eine Randbemerkung in der Sunday Times huldigt Parker-Hall als »A&R-Guru«. Nachdem ich das gelesen habe – morgens um elf –, trinke ich erst eine halbe Flasche Wodka und breche dann in Tränen aus.
Rebecca wuselt triefend vor lauter Glückseligkeit im Büro herum. Nachdem ich aus Glasgow zurückkam, waren wir für ein paar Drinks und ein ausgedehntes Gespräch aus. Bevor ich ihr eröffnete, dass ich in die Heirat einwillige, versuchte ich ihr deutlich zu machen, dass ich auch alles richtig machen und ihren Vater um sein Einverständnis bitten wolle.
Nur, dass das eben etwas Zeit brauche. Obwohl sie nicht einsehen wollte, dass es sinnvoll ist, erst einmal eine Zeit lang verlobt zu sein, stimmte sie schließlich zu. Und irgendwie gelang es mir sogar, sie zu überzeugen, dass wir bis zur Hochzeit erst einmal Stillschweigen bewahren sollten.
Es ist unfassbar, aber diese strikte Omerta scheint tatsächlich eingehalten zu werden. Hätte sie sich jemandem anvertraut, wäre das vor allen anderen Katie gewesen, Trellicks persönliche Assistentin. In diesem Fall hätte es sofort in der Rechtsabteilung die Runde gemacht, und Trellick würde mich, kaum dass er es erfahren hätte, runter ins Full & Frank’s prügeln. Unter normalen Umständen wäre der Versuch, Rebecca – oder irgendeine der Sekretärinnen – zu bitten, über etwas Stillschweigen zu bewahren, als Geheimhaltungstaktik ähnlich effektiv wie, zwecks Bekanntgabe deiner Verlobung, eine ganzseitige Anzeige in der Music Week zu schalten.
Denn es ist ihr Lebensinhalt. Sie beschäftigen sich mit nichts anderem, als den lieben langen Tag miteinander darüber zu tratschen, was wir so treiben. Über Salate und Diät-Colas, neben den Fotokopierern und Wasserspendern, über mit Chardonnayflaschen und Marlboro-Lights-Packungen zugemüllten
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