Kill your friends
und Derek sehen mich unterkühlt an. Passiert das wirklich? »Ähm … ja, doch«, sage ich achselzuckend, »wo liegt das Problem?«
»In Zukunft«, sagt Derek aggressiv, »wirst du so etwas immer von Anthony oder mir genehmigen lassen.«
»In Ordnung …«, sage ich.
»Reich mir das einfach rein, Alter«, sagt Parker-Hall lässig. Ich nicke. Mit einem »Wie auch immer …« dreht Derek mir den Rücken zu, und die drei setzen ihre Unterhaltung fort. Benommen stolpere ich davon, und allmählich begreife ich, wie tief ich bereits gefallen bin.
Die winzige Datei schlummert auf Parker-Halls Festplatte. Inaktiv und unbemerkt wartet sie darauf, dass ich den Knopf drücke.
Noch nicht, denke ich. Jetzt noch nicht.
***
Irgendwie ist es mir gelungen, meiner bereits proppenvollen Liste ein neues, alarmierendes Laster hinzuzufügen.
Neben dem Koks, dem Schnaps und den Kippen, den Nutten, den Online-Live-Sexshows, den Telefonsexnummern und allem, was mir Geld und Technologie sonst noch so an Möglichkeiten bieten, bin ich jetzt auch noch zwanghaft verfressen. Im Auto, auf dem Weg ins Büro, im Nebel durch den Verkehr trödelnd, stecke ich mir fettige Croissants in den Mund und spüle sie mit anderthalb Eimern vollfetter Milch hinunter. Während ich am Fenster meines Büros stehe, Demos höre und auf den Themse-Bogen starre, versüße ich mir ein dreistöckiges Speck-Tomate-Salat-Sandwich mit einer Runde Schokoladen-Brownies. Zu Mittag mit Trellick, Ross, Darren und Leamington schaufele ich mich durch Teller mit in Tomatensahnesauce schwimmender und mit Bergen von Parmesan bedeckter Gnocchi und Pasta. Dazu stopfe ich zentimeterdick mit Kräuterbutter beschmiertes Brot in mich hinein und gieße literweise Diät-Cola hinterher. (»Ich sehe, sie erfüllt ihren Zweck«, kommentiert Ross einmal zum Lunch und tätschelt meine aufkeimende Wampe, als ich gerade meine dritte silbern-rote Dose leere.) Eines Abends riskiert der sonst so teilnahmslose Junge vom Thai-Lieferservice einen vorsichtigen zweiten Blick, als er die zum Bersten gefüllten Tüten (Tom Yam Gai, Grüner Curry, Spezialreis, Frühlingsrollen, drei Sorten Teigtaschen) abstellt und bemerkt, dass ich ganz allein esse. Es liegt wahrscheinlich an der Kälte, vermute ich, während ich ungeduldig darauf warte, dass die 20-sekündige Taustufe der Mikrowelle abgelaufen ist, und ich mich über die zweite Packung belgischer Schokoladeneiskrem hermachen kann.
Unter diesen Umständen dürfte New York vermutlich der letzte Ort sein, an dem ich mich aufhalten sollte. Aber hier liege ich auf meinem Bett im Soho Grand – in der linken Hand habe ich eine Portion M & Ms aus der Minibar, in der rechten meinen schlappen Schwanz, während im Fernsehen ein Hardcore-Porno läuft. Müde beobachte ich, wie ein muskelbepacktes Stück Presskohle seinen Pferdepimmel (die daran herablaufende Vene ist dick wie ein Stück Gartenschlauch) in einen bereits nach Strich und Faden misshandelten Arsch ein- und ausführt, als das Telefon klingelt. Sanft schnurrend, entschuldigend, als wollte es wirklich nicht stören. Immer noch halbherzig masturbierend, hebe ich ab. »Die Band ist um halb acht auf der Bühne«, sagt Parker-Hall, »danach gehen wir zum Dinner mit unseren amerikanischen Label-Kollegen, klar?« Er fragt mich nicht wirklich.
»Wir sehen uns unten«, sage ich und lege auf.
Wir sind wegen der CMJ hier, in etwa vergleichbar mit der In The City, die wiederum leicht mit der Sound City zu verwechseln ist, ganz wie die Popkomm, die wiederum eine so frappierende wie langweilige Ähnlichkeit mit der South By Southwest aufweist, die in meinem Kopf immer mit dem Winter Music Festival durcheinandergerät, welches sich auch nicht groß von der MIDEM unterscheidet. New York, Glasgow, Köln, Bristol, Texas, Miami, Cannes: Du brüllst Kellnern hinterher, unterschreibst Kreditkartenquittungen, und das Einzige, was sich wirklich verändert, ist die Qualität der Pornos.
Parker-Hall arbeitet richtig. Ich habe keine Ahnung, ob er wirklich darauf steht, Konzerte zu besuchen, aber er sieht es zweifellos als unumgänglichen Teil des Jobs, weshalb wir eine 40-minütige Taxifahrt zu einem Club in Uptown auf uns nehmen, uns dort zwanzig Minuten lang irgendeine beschissene Band anschauen, um dann weitere vierzig Minuten nach Downtown zurückzufahren, wo wir ein paar Kollegen von unserer amerikanischen Mutterfirma in einem nur fünf Minuten von unserem Hotel entfernten Restaurant zum Essen treffen. Wäre
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