Killashandra
der kein Haar mehr zu entdecken war.
»Störgerät läuft?« fragte sie.
»Seit ich dich gekniffen habe.«
»Klammer bitte!«
Sie hatten bereits einen der letzten Kristalle eingesetzt, als Trag und der Älteste Ampris eintraten.
»Nur noch fünf Kristalle, dann ist die Installation abgeschlossen«, sagte Trag zu Ampris. »Killashandra weiß, daß die höheren Register ganz exakt gestimmt werden müssen.«
Killashandra nahm seine versteckte Botschaft mit einem Nicken zur Kenntnis. »Ich will rasch die Klammer des angeschlagenen Kristalls der Orgel im Konservatorium überprüfen. Ich werde rechtzeitig zum Stimmen zurück sein.«
Killashandra hoffte, der Älteste Ampris werde sie allein arbeiten lassen, doch er zog es vor zu bleiben und beobachtete sie genau. Killashandra mochte es ohnehin nicht, wenn ihr jemand auf die Finger sah, und unter Ampris' ste-chendem Blick sträubten sich ihre Nackenhaare. Und sie war zornig, weil Ampris' Gegenwart verhinderte, daß sie in Ruhe mit Lars reden konnte. Sie hatte die stichelnden Wortwechsel genossen, die ihnen halfen, die Spannung und die Mühe dieser Präzisionsarbeit etwas abzustreifen.
Deshalb war sie doppelt bekümmert, an diesem Morgen auf die geistreichen Wortwechsel mit Lars Dahl verzichten zu müssen. Sie hatten nur noch so wenig Zeit, ihr Zusammensein zu genießen.
Sie verschaffte sich jedoch eine gewisse Ersatzbefrie-digung, indem sie das Anbringen der letzten Klammern hinauszögerte und damit Trag reichlich Zeit gab, seine Änderungen am Programm der Konservatoriumsorgel vorzunehmen. Und sie trieb den Ältesten Ampris mit ihrem Gefummel absichtlich zur Weißglut. Er war ausgesprochen nervös, als sie mit Lars die letzte Klammer anzog.
»So!« sagte sie äußerst befriedigt. »Alles am rechten Platz und fest angezogen!« Sie nahm den Hammer in die Hand und schlug, von einer gehässigen Eingebung getrieben, den ersten Ton des Beethovenmotivs an. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie Ampris mit protestierender Hand einen Schritt vortrat. Er war wachsbleich. Doch dann spielte sie die Tonleiter nach oben und dann noch einmal, die vierundvierzig Kristalle von der Seite anschlagend, nach unten. »Sauber wie eine Glocke und völlig rein gestimmt. Eine gute Installation, wenn ich das selbst sagen darf.«
Killashandra steckte den Hammer wieder in die Werkzeugkiste und legte die Fingerspitzen zusammen. Sie entfernte die Dämpfer von den Kristallen und legte den Deckel über das Gehäuse. »Ich glaube, wir sollten den Deckel noch nicht festschrauben. Und nun, Ältester Ampris, kommt der Augenblick der Wahrheit!«
»Ich würde es lieber sehen, wenn Gildenmitglied Trag...«
»Er kann nicht spielen! Er kann nicht einmal Noten lesen«, sagte Killashandra, den Ältesten Ampris absichtlich falsch verstehend. Lars kniff sie wieder einmal, und seine kräftigen Finger mißhandelten das weiche Fleisch ihrer Hüfte. Sie hätte ihm einen Tritt versetzt, wenn das unauffällig möglich gewesen wäre. »Aber ich nehme an, Sie fühlen sich besser, wenn er die Installation abnimmt«, fuhr sie fort und schenkte Ampris ein schüchternes Lächeln, das viel besser zu jemand paßte, der unter dem Bann der unterbewußten Konditionierung stand, als ihre letzte Erklärung.
In diesem Augenblick kam Trag zurück.
»Genau wie ich mir gedacht habe, Ältester Ampris.
Eine lockere Klammer beim mittleren G. Ich habe beide Manuale sorgfältig geprüft.«
Ampris starrte Trag mißtrauisch an. »Sie spielen gar nicht«, sagte er.
»Nein.«
»Wie können Sie dann Kristalle stimmen?«
Killashandra lachte laut. »Ältester Ampris, die Voraussetzung für den Beruf des Kristallsängers ist ein absolutes Gehör; sonst wird man nicht in die Heptitergilde aufgenommen. Gildenmann Trag braucht kein ausgebildeter Musiker zu sein. Unser Gildemeister Lanzecki ist es auch nicht. Einer der Gründe dafür, daß ich für diesen Auftrag ausgewählt wurde, ist der, daß ich Musikerin bin —
und ich habe Tasteninstrumente studiert. Trag, wenn du nun die Installation begutachten willst?« Sie hob mit Lars zusammen den Deckel wieder ab.
Trag war nicht darüber erhaben, Ampris noch einmal in Angst und Schrecken zu versetzen, denn er schlug drei Beethoven-Noten im Sopranregister an, bevor er die Melodie änderte und andere Noten anschlug. Dann nahm er sich jeden Ton einzeln vor und hörte genau zu, bis der volle Klang völlig erstorben war, bevor er den nächsten Kristall anschlug.
»Wirklich vollkommen«, sagte er und
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