Killashandra
einen Stein abträgt, ist nur eine Kleinigkeit. Der haarlose Argulianer war der beharrlichste. Im schmalen Gang umarmte er sie sogar und zog sie leidenschaftlich an sich. Sie brauchte sich nicht freizukämpfen.
Er ließ die Arme fallen und wich zitternd und errötend zurück. »Sie sind schockierend.« Er rieb sich die Arme und strich hastig über die Körperteile, die mit ihr in Kontakt gewesen waren. »Es ist nicht schön, mit einem freundlichen Mann so umzugehen.« Er machte ein bekümmertes Gesicht.
»Es war doch Ihre Idee.« Killashandra ging in ihr Quartier. Damit ist eine neue Sängerlegende geboren!
Die Kapitänin des dritten Frachters, auf den Killashandra in Melorica umstieg, informierte sie unumwun-den, daß sie unter keinen Umständen eine Konkurrenz zu ihrer ausschließlich weiblichen Crew dulden werde.
»Schon gut, Captain. Ich habe Enthaltsamkeit gelobt.«
»Wozu?« fragte die Kapitänin und musterte Killashandra mit Argusaugen. »Religiös oder beruflich?«
»Weder noch. Ich will einem Mann treu bleiben, bis ich sterbe.« Killashandra gefiel das unendlich kleine pa-thetische Zittern ihrer Stimme.
»Das ist kein Mann wert, Liebes!« Die Kapitänin schien ehrlich entsetzt.
Killashandra erkundigte sich mit einem traurigen Seufzen, ob es in der Schiffsbibliothek auch Material für Ein-zelreisende gab, und zog sich in ihr Quartier zurück. Ihre Kabinen wurden mit jedem Schiff kleiner. Glücklicherweise war dies der kürzeste Abschnitt ihrer Reise zu Bernards World.
Als Killashandra den Bernard World Transfer Satellite erreichte, zweifelte sie ernsthaft an Trags Aufrichtigkeit.
Die Fahrt schien für eine Weltraumreise der Neuzeit ungeheuer lang, selbst wenn man berücksichtigte, daß Frachter im allgemeinen langsamer flogen als Kreuzer oder Linienschiffe. Sie hatte fünf Wochen im Weltraum hinter sich und mußte weitere fünf überstehen, bevor sie das optherianische System erreichte. Ob Trag ihr einen Streich gespielt und ihr einen Job angedreht hatte, den ohnehin niemand sonst übernommen hätte? Nein, die Bezahlung war zu gut — außerdem hatten sich Borella, Concera und Gobbain darum bemüht.
Der Transfersatellit, der in der Schwerkraft eines kleinen Mondes verankert war, umkreiste einmal in achtundvierzig Stunden den Planeten, ein strahlendes blaugrünes Juwel. Der Satellit war ein Wunder der modernen Technik, mit Lande-und Reparatureinrichtungen, die auch FSC-Kreuzer und die Segmentschiffe des Ex-plora-tion and Evaluation Corps aufnehmen konnten. Er lag sehr günstig am Schnittpunkt von neun wichtigen Raum-straßen. In den weitläufigen Gärten wurden Früchte und Gemüse gezogen, und die Viehzuchtabteilung lieferte hochwertiges Protein, abwechslungsreich genug, um auch den verwöhntesten Gast zufriedenzustellen. Die Geschäfte konnten die Wünsche aller fünf raumfahren-den Rassen erfüllen. Angebaute Kuppeln beherbergten kleine Firmen, ein aufblühendes medizinisches For-schungslabor und ein kleines Krankenhaus. Im Transit-Quadranten gab es Spielplätze, Sportarenen und Stadien, weitläufige Gärten und einen Zoo mit Kleinlebewesen der neun nächstgelegenen Sonnensysteme. Als Killashandra das Verzeichnis in ihrem Zimmer durchsah, erkannte sie zu ihrer Erleichterung, daß zu den Einrichtungen der Sporthalle auch ein Regenerationsbecken gehörte.
Sie war zwar sicher, daß die Resonanz in ihrem Körper etwas nachgelassen hatte, aber sie sehnte sich nach der Erleichterung, die ihr nur eine Stunde im Regenerationsbad verschaffen konnte. Sie buchte den Raum und benutzte einen Wartungsgang, da sie die Reaktionen der
>normalen Leute< in ihrer Nähe ziemlich leid war.
Außerdem hatte sie beschlossen, die nächsten fünf Wochen auf dem Kreuzfahrtschiff nicht damit zu verbringen, neue Kristallsänger-Mythen in die Welt zu setzen. In ihrem geschundenen und schmerzenden Körper war kein Platz für Zuneigung, von Leidenschaft ganz zu schweigen. Und Kristall neutralisierte flüchtige Vorlieben oder Gelüste.
Wenn sie nur verhindern konnte, daß den Leuten die Haare zu Berge standen, konnte sie eine neue Persönlichkeit annehmen: Sie reiste als begabte junge Musikerin nach Optheria, um am Sommerfestival teilzunehmen. Sie hatte kein Geld und mußte die billigeren Frachterlinien benutzen. Sie verbrachte einige Stunden damit, das richtige Make-up für diese Rolle zu entwik-keln und sich das Verhalten einer sehr jungen unerfahrenen Frau zuzulegen. Sie erinnerte sich an das Vokabu-lar und die Sprechweise
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