Killer-Camping
Wände. Wer sie durchbrechen wollte, mußte sich schon anstrengen. Judd ging vor. »Das Singen«, hörte ich ihn sprechen. »Das verdammte Singen ist nicht zu stoppen.« Er drehte sich zu mir um. »Hörst du es auch, John?«
»Nein.«
»Aber ich.« Er blieb stehen. »Der Wald lebt. Er hat sich verändert, das habe ich vorhin auch gespürt, als ich die Fäden anfaßte. Da überkam mich ein ungewöhnliches Gefühl, das ich nicht beschreiben kann. Aber der Wald lebt.«
Er ging weiter, blieb dann stehen und deutete nach vorn. »Da, sieh doch. Ist das normal?«
Er hatte den Arm ausgestreckt. Ich schaute in eine regelrechte Wolke hinein, die sich aus dünnen, quer und längs laufenden Fäden gebildet hatte und eine regelrechte Sperre bildete.
Das war nicht normal, da hatte er schon recht. Mein Blick glitt in die Höhe. Das grüne Laub wirkte wie ein gewaltiges Dach. Es filterte schräg einfallendes Sonnenlicht, ließ nur lange Streifen durch, die sich auf dem Boden und entlang der Stämme verteilten.
Dazwischen blitzten die Fäden, zu vergleichen mit winzigen Schnüren, die Judd aus dem Weg schleudern wollte. Er berührte sie mit der rechten Hand, schrie auf — und zog die Hand hastig zurück.
»Was ist denn?«
Als ich ihn erreicht hatte, drehte er sich um. »Da!« keuchte er, »schau selbst…«
Ich bekam große Augen, denn seine Handfläche sah aus, als hätten mehrere Messer hineingeschnitten. Aus kleinen Schnittwunden quoll Blut in zahlreichen, perlenartigen Tupfen.
Wir waren beide ziemlich stumm. Ich fand als erster die Sprache wieder.
»Hast du ein Taschentuch?«
Judd nickte.
Ich zerrte es aus seiner Hosentasche. Der Stoff war nicht mehr sauber, deshalb nahm ich meins und wickelte es um seine Hand. Er stöhnte auf, sein Gesicht bekam einen verbissenen Ausdruck. »Verdammt, damit habe ich nicht gerechnet. Nein, John, das ist urplötzlich gekommen. Ich hatte das Gefühl, als hängen zahlreiche Messer zwischen den Bäumen. Ein Wahnsinn, kann ich dir sagen.«
»Halte deine Hand ruhig.«
»Und du?«
»Ich sehe mir die Spinnweben mal genauer an.«
»Hör auf, verdammt! Willst du dich auch schneiden?«
»Das hatte ich nicht vor.« Ks waren nur wenige Schritte bis zu dieser Stelle. Grünes Dämmer bildete den entsprechenden Hintergrund. Vor ihm zeichnete sich die hellen Fäden sehr genau ab. Harmlos im ersten Augenblick, tatsächlich jedoch eine Mordfalle. Ich ging sie mit dem Kreuz an. Es war mir egal, ob Judd zuschaute oder nicht.
Ich mußte einfach wissen, wie magisch dieses Phänomen war und ob überhaupt.
Das Kreuz zeigte schon Temperatur, als ich es in der Hand hielt. Fin Zeichen, daß meine Theorie stimmen konnte. Ich mußte es nur mit dem Netz zusammenbringen.
Da hörte ich das Rauschen und den gleichzeitigen Schrei. Ich kreiselte herum.
Etwas peitschte durch den Wald. Geschrien hatte Judd, denn er sah, daß sich uns etwas näherte, von dem wir keine Ahnung hatten. Wir konnten nur den Weg verfolgen.
Hätte es hier Elefanten gegeben, so hätte ich daran geglaubt, denn es war furchtbar, was sich durch das Unterholz schob. Wir konnten es nur hören und bekamen mit, wie sich die Zweige der Büsche bewegten, peitschten, knackten und rissen.
»Da kommt jemand auf uns zu!« keuchte mein Begleiter. »Verdammt, was kann das sein?«
»Darauf bin ich auch gespannt«, erklärte ich und holte sicherheitshalber die Beretta hervor.
Sie nutzte mir nicht viel. Das Ding oder der Gegenstand, der sich seinen Weg bahnte und freischlug, war durch eine Kugel kaum zu stoppen. Den mußte man schon mit bloßen Händen angehen, diesen verdammten Killerspaten…
***
»Kinder, das ist für eine alte Trau wie mich eigentlich viel zu heiß«, stöhnte Lady Sarah, als sie das Restaurant betrat und sich auf einen Stuhl fallen ließ.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte die blonde Bedienung.
Sarah Coldwyn nahm den Hut ab. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bringen Sie mir bitte einen Saft, mein Kind.«
»Welchen denn?«
»Grapefruit.«
»Gern.«
Die Mädchen hatten noch nicht viel zu tun. Die Urlauber hielten sich bei ihren Zelten oder an den Duschräumen auf. An den Strand würde jetzt kaum jemand gehen. Es war die Zeit, wo man die Sonnenbrände bekam oder die frisch erworbene Bräune pflegte.
Sie bekam den Saft, trank und stöhnte auf, als sie die Flüssigkeit noch einmal nachgoß. »Oh, das mußte einfach sein, nach einem Tag wie diesem.«
»Ja, es war heiß.«
»Das können Sie sagen. Wie heißen Sie
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