killer country: thriller (German Edition)
gegenüberliegenden Straßenseite bewegte. Ein weißes Gesicht tauchte auf. Er winkte grüßend, und das Gesicht verschwand.
Die beiden Männer duckten sich unter dem polizeilichen Absperrband hindurch, und der Wachmann sperrte die Haustür auf, ehe er vor Pylon eintrat. Im Haus Chaos: überall das Pulver der Spurensicherung. Kreidemarkierungen, wo die Toten auf den Teppichen gelegen hatten. Mehr Blut dort, wo die Frau zu Boden gegangen war, als an der Stelle, an der Popo Dlamini das Zeitliche gesegnet hatte.
»Also ein Riese«, sagte der Wachmann und streckte die Hand aus.
Pylon zählte ihm zehn Hunderter hin.
»Jetzt erledigen Sie, wofür Sie gekommen sind«, fuhr der Wachmann fort. »Und zwar schnell.«
Pylon wollte sagen, er solle sich entspannen, entschied sich dann aber für ein Schulterzucken. Ging zu einem Wandregal auf der anderen Seite des Zimmers. Dort stand kitschiger Nippes aus Porzellan und Draht. Über einer Ministereoanlage befand sich ein kleines Gestell mit CD s. Auf einem Tablett neben dem Player eine Flasche Rotwein, die nicht mehr ganz voll war. Pylon erinnerte sich daran, dass ein zerbrochenes Weinglas am Boden gelegen hatte und ein feuchter Fleck auf dem Teppich gewesen war. Der Wein ein Cabernet. Von keinem schlechten Weingut. Die Lady hatte Geschmack besessen. Aber die Lady hatte, so wie sie gelebt hatte, diese Luxusgüter immer als selbstverständlich betrachtet.
Er sah sich die Titel der CD s an. Best of Makeba, Masekela, Abdullah Ibrahim, eine von Youssou N’Dour, Ismaël Lo, einige mit weichen Frauenstimmen, die erste Tracy Chapman, Brenda Fassies Memeza , ein paar Symphonien. Sammlungen mit stimmungsvoller Musik. Nichts, wonach er suchte.
Auf einem Regal die Hülle von Zolas Khokhovula . Pylon nahm sie in die Hand. Er vermutete, dass das eher Lindiwes als Popos Geschmack gewesen war. Das Cover zeigte das schreiende Gesicht des Kwaito -Stars, seine Hand gegen eine Scheibe geschlagen, auf dem Glas spinnennetzartige Risse. Pylon schaltete die Stereoanlage ein. Die CD befand sich im Laufwerk. Er drückte auf Play. Die Musik nicht laut, doch so schrill, dass der Wachmann zusammenzuckte.
»Nein, nicht!«, rief er, schubste Pylon beiseite und schaltete hastig die Stereoanlage aus.
»Das muss an gewesen sein«, meinte Pylon. » Kwaito , unwiderstehlich wie immer.«
»Wir gehen«, sagte der Wachmann. »Jetzt.«
Pylon zuckte die Achseln. »Ich bin sowieso fertig.«
Am Samstagabend hatte Pylon drei Stunden damit verbracht, die Musik auf dem iPod durchzuhören. Oder vielmehr einige der Songs. Vor allem die Playlisten mit den Titeln Killer Country I, II und III . Es war ihm nicht schwergefallen.
Viele der Musiker waren ihm bekannt. Cash, Giant Sand, Emmylou Harris, Tindersticks, Sixteen Horsepower. Das Gitarrenwunder Steve Earle. Die traurige Stimme von Jesse Sykes, die Sweet Hereafter und einige Calexico-Tracks.
All das vertrautes Terrain. Auch die neuen Sachen: Songs über Liebe, Wahnsinn, Mord und Wehmut für lange, düstere Nächte. Songs von den Cowboy Junkies, der Handsome Family und M. Ward und von der Willard Grant Conspiracy, die ihm eiskalte Schauder über den Rücken jagten – als ob jemand auf seinem Grab getanzt hätte.
Der Besitzer des iPods war einer, mit dem er sich was zu sagen hätte, dachte Pylon, während er der Musik zuhörte. Jemand aus denselben Badlands wie er. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das Popo Dlamini war. Popo Dlamini hatte keine solch poetische Seele gehabt. Ein Nachbar konnte den iPod fallengelassen haben, als er von einer Joggingrunde nach Hause kam. Oder hatte er doch Lindiwe Chocho gehört? Oder jemandem, der an Popo Dlaminis Tür geklopft hatte?
Dass es ein Nachbar sein sollte, glaubte er nicht. Ein Nachbar hätte nach dem iPod gesucht. Auch Lindiwe Chocho kam ihm unwahrscheinlich vor. Jemand, der Kwaito mochte, war nicht an Killer Country interessiert. Also war es jemand, der an die Tür geklopft hatte. Der Kurier. Alias der Schütze mit den .22-lfB-Patronen.
Das hielt er für wahrscheinlich. Das war die Art von Musik, zu der man töten konnte.
Aber zuerst einmal musste er Popo Dlamini von seiner Liste streichen. Und auch die hinreißende Lindiwe. Wenn man dann noch die Nachbartheorie strich, blieb nur die Möglichkeit, dass diese Songs Mr Death begleitet hatten. Ein Mann mit einem ausgeprägten Ordnungssinn, der seine Playlisten thematisch strukturierte. Ein Mann, der Geschichten sammelte, sie arrangierte und den Playlisten passende
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