Killer im Kopf
Wolken, und die Stille hielt das Haus wie eine Mauer umfangen. Sheila hatte das Glas tatsächlich ausgetrunken, stellte es ab und schüttelte den Kopf. »Ich muß schrecklich aussehen«, flüsterte sie.
»Unsinn«, widersprach ich.
»Doch, ich habe mich im Spiegel…«
»Du gehst doch nicht zu einem Empfang«, sagte Glenda.
»Ja, das stimmt.«
»Eben.«
»Aber du möchtest bestimmt erzählen, was hinter dir liegt«, sprach ich sie an.
»Ja, John, das will ich.« Sie faßte nach meiner Hand. »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, daß du hergekommen bist. Allein hätte ich es nicht mehr länger ausgehalten. Es ist einfach grauenhaft. Ich bin…« Sie hob die Schultern. »Mein Gott, was bin ich eigentlich?«
»Noch immer eine tolle Frau.«
»Ach, hör auf, John. Ich bin eine Gefangene geworden. Jemand hat es auf mich abgesehen. Ich habe ein Gesicht gesehen. Ich kenne mich jetzt mit der Angst aus. Ich weiß, wie es ist, wenn jemand leidet, wenn er fast nicht mehr kann…«
»Das ist alles richtig, Sheila, nur solltest du alles der Reihe nach berichten. Wenn eben möglich, fang bitte von vorn an, sonst können wir nichts tun.«
»Von vorn?« flüsterte sie.
»Ja, so ist es.«
Sie nickte und schaute wieder ins Leere. »Dann muß ich aber weit zurückgreifen.«
»Das macht überhaupt nichts, denn wir haben Zeit. Die ganze Nacht und noch länger.«
Sheila wischte über ihre rechte Wange. Sie schaute auf ihre Füße, und es war ihr anzusehen, daß sie nach Worten suchte. »Ja«, murmelte sie.
»Es ist schon komisch, und ich kann es selbst nicht fassen. Ich möchte auch nicht, daß ich ausgelacht werde…«
»Keiner wird dich auslachen«, sagte Glenda.
»Das weiß ich ja. Wie gesagt, es liegt schon etwas zurück. Vor ein paar Wochen ging es los. Da bekam ich von einem auf den anderen Tag diese Depressionen. Ich war mit mir selbst im unreinen. Ich wußte nicht, warum ich lebte. Ich sah die gesamte Welt nur als einen einzigen Trauerfall. Alles war grau. Es gab für mich nichts Positives mehr zu entdecken. Das Schreckliche war zur grausamen Wahrheit geworden. Ich kam mit mir nicht mehr zurecht, und ich schaffte es auch nicht, gegen all diese Dinge anzukämpfen. Es blieb nicht bei diesen Depressionen, denn es kam die Angst hinzu. Sie erfaßte mich immer häufiger, und das war schlimm.«
»Hast du mit Bill darüber gesprochen?« wollte ich wissen.
Sheila bedachte mich mit einem müden Augenaufschlag. »Natürlich haben wir uns darüber unterhalten.«
»Und? Wie hat er reagiert?«
»Was meinst du denn?«
»Ich weiß es nicht.«
»Das ist zwar eine Ausrede, denn du kennst ihn länger als ich, aber ich will es dir sagen. Bill ist sehr verständnisvoll zu mir gewesen. Er hat mich nicht ausgelacht, er hat versucht, mir zu helfen, indem er mir zuhörte. Nicht nur das. Wir haben nach Gründen gesucht, aber keine gefunden.«
»Hattest du nicht dieses Gesicht erwähnt?« fragte Glenda. »Oder habe ich mich da verhört?«
»Hast du nicht.«
»Es gab das Gesicht also?«
»Ja, aber nicht sofort, sondern später. Da tauchte es auf. Da sah ich es, und ich wußte sehr genau, daß irgend jemand hinter meinen Depressionen und Angstzuständen steckt. Daß er sie praktisch in die Wege geleitet hat. Das ist zwar kaum zu fassen, aber ich habe vor kurzem den endgültigen Beweis erhalten.«
»Was sagt Bill dazu?«
Sheila schaute mich an. »Er weiß es nicht, John.«
»Wie? Du hast ihm nichts erzählt?«
»So ist es.«
Ich schüttelte den Kopf. »Warum denn nicht? Du hättest mit ihm sprechen müssen und…«
»Das weiß ich selbst, John, doch es konnte sich nicht so ergeben. Es war einfach alles zu spät, verstehst du? Bill war zwar da, aber das Gesicht habe ich nur wie einen Schatten erkannt, der hinter meinen schrecklichen Zuständen stand.« Sie rang die Hände. »Himmel, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Es war einfach zu schwach. Wie jemand, der im Hintergrund lauert und zunächst nicht gesehen werden will. Der aber zugleich auf einen bestimmten Zeitpunkt wartet, um dann richtig zuschlagen zu können. Das ist bereits geschehen. Das Gesicht ist mir erschienen, ich habe es deutlich sehen können.«
»Es hat also für deine unbegreiflichen Zustände gesorgt, meinst du?«
»Das meine ich nicht nur, das weiß ich.«
»Auch recht, Sheila. Kannst du denn genau beschreiben, wie es dir ergangen ist?«
Sie schaute ins Leere. Nur für einen Moment. Dann flüsterte sie: »Willst du Einzelheiten
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