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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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seine Rückenschmerzen. Damit war die Sache für mich erledigt, meine Probleme waren für die eben nicht so wichtig. Mit meiner Familie wollte ich auch mal darüber reden, aber eigentlich auch wieder nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich weiß es nicht.« Thomas Bracht überlegt kurz. »Irgendwie bin ich vor mir selbst weggelaufen. Ich wurde von meiner Familie, meiner Mutter oder meinen Geschwistern auch mal darauf angesprochen: Du, wir merken doch, dass mit dir was nicht stimmt. Ich hab dann aber nur gesagt, ich hätte etwas Wichtiges zu tun, und bin mit meinem Hund spazieren gegangen – dem hab ich das dann erzählt. Er konnte gut zuhören, aber er konnte natürlich keine Antwort geben.
    Ich habe das erste Mal an Selbstmord gedacht, kurz nachdem man mir gesagt hat, dass ich keine eigenen Kinder haben kam. Am liebsten wäre ich mit meinem Wagen vor den nächsten Brückenpfeiler gerast. Aber ich habe nie etwas in der Richtung unternommen.«
    Thomas Brachts Körpersprache signalisiert mir, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um eine neue Strategie auszuprobieren. Ich werde versuchen, ihn behutsam an seine erste Tat heranzuführen. Dabei soll er aber zunächst nicht unbedingt aus der Ich-Perspektive berichten, sondern mehr als teilnehmender Beobachter. Auf diese Weise möchte ich erreichen, dass er sich seiner Erinnerung nicht verweigert – wie bei den vorherigen Gesprächen –, sondern gedanklich eine Situation entstehen lässt, die er beobachten und beschreiben kann, ohne über eigene Gefühle reden zu müssen.
    »Thomas, und dann passiert es zum ersten Mal. In dem Zimmer liegt ein Patient, dem es schlechtgeht. Jemand steht neben seinem Bett. Was siehst du?«
    »Ja, ich stehe daneben …«
    Ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt, jedenfalls sieht er nicht irgendjemanden, sondern sich selbst neben dem Patienten stehen. Trotzdem lasse ich ihn gewähren. Er soll sich weiter in die Situation vertiefen.
    »Was siehst du noch?«
    »Ich sehe auf den Patienten. Er hat Ähnlichkeit mit meinem Vater, der ziemlich früh verstorben ist.«
    »Kannst du noch mehr erkennen?«
    »Ich sehe meine Nichte auf dem Bauch von dem Patienten und sage: ›Oh, pardon, sag doch was.‹ Aber der Patient sagt nichts. Der ist nach einem Herzinfarkt zu lange ohne Sauerstoff gewesen, da ist im Prinzip vom Hirn nichts mehr da.« Er stutzt einen Moment. »Und dann bin ich irgendwann aufgewacht …«
    »Aufgewacht?«
    »Ja, mir dabei zusehend, wie ich demjenigen etwas injiziere. Wie er dann erst noch auf die Intensivstation verlegt und noch versucht wird, irgendwas zu machen. Aber da ist nichts mehr zu machen. Ich sehe, wie ich selber völlig erschrocken bin, was da überhaupt passiert ist. Ich wollte das ja nicht. Ich sehe mir selber dabei zu, wie die Sache abgelaufen ist, wie irgendjemand das dann gemacht hat.«
    »Irgendjemand?«
    »Derjenige bin ich.«
    Bemerkenswert. Bei den Gesprächen zuvor hat er noch behauptet, sich nur bis zu dem Punkt erinnern zu können, wo er das Patientenzimmer betrat. Jetzt sind wir einen wichtigen Schritt weiter. Ich verstehe zwar nicht, warum Vater und Nichte in seinem Bild der Tat auftauchen, aber ich belasse es dabei. Wenn er dazu etwas hätte sagen wollen, hätte er es getan. Allerdings notiere ich mir diesen Aspekt.
    »Wie ist das, wenn man in so einer Situation aufwacht?«
    »Ganz furchtbar. Man weiß nicht, was passiert ist. Ich wusste jedenfalls nicht genau, was passiert war. Ich habe das erst überhaupt nicht realisiert.«
    Thomas Bracht überlegt einige Zeit.
    »Ich sehe da jemanden, der dann stirbt«, sagt er schließlich. »Und ich habe selber noch so eine blöde Spritze in der Hand. Ich habe erst nur reagiert: Spritze weg, den Arzt geholt und dann gesehen, dass man den Patienten eventuell wieder ins Leben zurückholt. Es war einfach schrecklich. Und danach konnte ich ja eh mit keinem mehr darüber reden.«
    »Hast du über Konsequenzen nachgedacht?«
    »Da war für mich ganz klar, jetzt fährst du erst mal irgendwo hin, und dann passiert irgendwas, fährst vor einen Baum und machst ein Ende. Ob ich zu feige dafür war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall habe ich es nicht gemacht.«
    »Also hast du dich im Moment des Tötens eher als ferngesteuert erlebt?«
    »Das kann man so sagen.«
    »Das überzeugt mich nicht so richtig. Sind wir da jetzt an so einem Punkt, wo für dich eine Ausrede Sinn macht?«
    »Ja. Weil es eigentlich nicht so meine Art ist. Ich kann eigentlich keinem

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