Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
sie sich mit einem Mal auf und sagte: ›Ich glaube, jetzt ist es vorbei. Es war schön, dass du bei mir warst.‹ Dann legte sie sich hin und war tot. Im Prinzip war das schrecklich, aber im Nachhinein war es auch schön.«
»Kannst du mir genauer erklären, was du daran schön gefunden hast?«
»Dass sie ganz friedlich eingeschlafen ist. Dass sie keine Schmerzen hatte. Sie schien mir dabei glücklich zu sein. Sie hatte keine Angst. Das war anfangs anders gewesen. Da hatte sie zu mir gesagt: ›Ich sterbe jetzt, ich hab Angst davor, ich weiß nicht, was auf mich zukommt.‹ Und hinterher sagte sie zu mir: ›Es war doch schön, dass du bei mir warst.‹ Hat sich hingelegt und war tot.«
»Gefiel dir daran, dass du an diesem Sterbevorgang teilhaben und ihr die Sache leichter machen konntest?«
»Ich war Teil dieses Vorgangs, ich saß daneben. Ich habe mit ihr gesprochen und so. Ich mochte sie ja auch. Sie war schon ein paar Jahre vorher bei uns gewesen.«
Ich spüre, dass wir an einem wichtigen Punkt angelangt sind, und möchte diesen Aspekt vertiefen. Deshalb frage ich ihn danach.
»Was hast du empfunden, nachdem die Frau gestorben war?«
»Ich habe das zuerst gar nicht realisiert. Auf einmal merkte ich, dass sie nicht mehr atmet.«
»Warst du darüber erleichtert?«
»Ich weiß gar nicht, was ich da war.« Er überlegt einen Moment. »Ich habe das gar nicht realisiert und erst ein paar Minuten später bemerkt, dass sie nicht mehr atmet. Die hat mich wirklich nicht verarscht, die ist wirklich tot, habe ich gedacht. Da habe ich den Doktor angerufen, der musste den Tod feststellen. Der war auch überrascht, dass sie so schnell gestorben ist, obwohl sie kurz vorher noch topfit gewirkt hatte.«
»Und das war für dich so ein Modell, wie Menschen sterben bzw. wie sie dabei begleitet werden sollten?«
»Das war eigentlich mehr so eine Erfahrung: Wenn es immer so funktionieren würde, dann wäre das doch gar nicht verkehrt. Sie hatte ihr Leben gelebt. Sie hat mir noch alles über ihr Leben erzählen können. Sie hat nichts auf der Welt zurückgelassen, was nicht erledigt war. Sie ist friedlich, ohne Schmerzen und ohne Todeskampf gestorben, ohne dass noch Medikamente in sie reingepumpt wurden. Ihr Leben war einfach zu Ende.«
»Und diese Art des Sterbens stand im krassen Gegensatz zu dem, was auf deiner Station passiert ist bzw. dort praktiziert wurde …«
»Die Patienten sind eben anders gestorben. Die hatten große Schmerzen, haben geschrien und bekamen doch keine Medikamente.«
»Kannst du mir mal so einen Fall beschreiben, den du als besonders dramatisch empfunden hast?«
»Ja. Da sagte eine alte Dame zu mir, die war auch lange bei uns, also ein halbes Jahr ungefähr: ›Ich will endlich sterben. Mir tut alles weh. Gib mir was, mach was.‹ Ich habe ihr gesagt, dass ich das nicht darf, dass ich das nicht machen würde. ›Gib mir was, ich will nicht mehr, gib mir Medikamente, mir tut alles weh, ich will nicht mehr!‹, hat sie gebettelt. Und ich stand hilflos daneben. Die Frau quälten wirklich starke Schmerzen, sie hatte verschiedene Krebsarten. Eines Morgens kam ich zum Dienst, und da sagt eine Kollegin zu mir: ›Die Alte ist endlich verreckt.‹ Das fand ich furchtbar. So über einen Menschen zu reden, das ist überhaupt nicht mein Ding.«
Zur besseren Orientierung fasse ich für ihn und mich kurz zusammen, dass er in der Zeit vor den Tötungen unter seiner Zeugungsunfähigkeit und den Todesfällen auf der Station litt. Ich bin überzeugt davon, dass ihn das sehr mitgenommen hat, doch scheint mir das nicht alles zu sein.
»Gab es noch was, was dich damals belastet hat?«
»Ja, als dann diese Todesfälle, diese Sterbenden, die zu uns auf die Station kamen, weiter zunahmen. Wenn ich in so ein Zimmer reingekommen bin, dann habe ich immer diese untrüglichen Zeichen des nahenden Todes gesehen: ein weißes Dreieck zwischen Nase und Mund, das deutlich heller ist als die übrige Haut. Und es gibt auch noch andere Zeichen, die ich damals nicht deuten konnte. Jetzt weiß ich, dass es diese Zeichen sind, die den Tod ankündigen.«
Ich bin erstaunt, von solchen Erscheinungen höre ich zum ersten Mal.
»Man sieht also, dass jemand sterben wird. Manche Kollegen sind dann wie aufgescheuchte Hühner herumgelaufen, haben den Stationsarzt alarmiert, damit der Patient bloß nicht stirbt. Ich aber habe mich, wenn noch die Zeit war, daneben gesetzt. Wenn ich keine Zeit hatte, habe ich die Tür leise wieder
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