Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
etwa tausend Schüler werden unter Polizeischutz nach Hause geschickt. Der Mann mit dem Messer wird nicht gefunden.
Die Ermittler der Soko »Kevin« prüfen diesen Fall im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg wie andere ähnliche Vorfälle, in denen auf Spielplätzen oder Kleingartenanlagen maskierte Männer Kinder angesprochen oder erschreckt haben. Das Ergebnis: Offenbar haben jeweils Trittbrettfahrer ihr Unwesen getrieben, inspiriert durch den ZDF-Film.
Tobias Mohn – 1992. Patrick Jürgens – 1995. Marc Overmas – 1998. Kevin Golombek – 2001. Adrien Mouton – 2004. Alle drei Jahre hat der Serienmörder getötet. Absicht oder Zufall? Diese Frage beschäftigt auch die Fallanalytiker. Bei den Dreijahresabständen könnte es sich um ein Ritual handeln, so eine Vermutung, favorisiert werden indes Zusammenhänge, die sich aus kriminologischer Erfahrung mit solchen Tätern herleiten: Andere Ereignisse könnten den Täter inhaltlich und zeitlich beansprucht haben, beispielsweise eine neue Beziehung, Heirat, Kinder, vielleicht auch ein Umzug oder Berufswechsel. Gerade von phantasiegeleiteten Tätern weiß man, dass sie in solchen Phasen der sozialen Konsolidierung, die mitunter auch einen bewussten Versuch der Selbsttherapie darstellen, oft von weiteren Taten Abstand nehmen. Allerdings erscheinen ihnen alte kriminelle Gewohnheiten wieder attraktiv, sobald sich die soziale Situation verschärft oder eine Stresssituation auftritt, die dem Betreffenden alles abverlangt oder ihn überfordert. Genau dann gehen die Täter wieder auf Tour und suchen fieberhaft nach Gelegenheiten, um sich eines Opfers zu bemächtigen.
Nur wenige Meter von jener Stelle entfernt, an der Kevin Golombek gefunden wurde, steht ein kleines Holzkreuz, das an das schreckliche Verbrechen erinnert – und verwittert. Die Bäume entlang des Forstweges sind gewachsen, jeden Tag ein bisschen, immer weiter, vier Jahre lang. Genauso lang hat die Soko »Kevin« ermittelt, die Aktenberge sind gewachsen, jeden Monat ein paar Ordner mehr. Doch der »Maskenmann« ist ein Phantom geblieben, fast schon eine unwirkliche Figur, gäbe es die bösen Taten nicht, die an die Erfolglosigkeit der Ermittler erinnern.
»Wenn wir vor ihm stehen, werden wir ihn erkennen«, versichert der Leiter der Soko trotzig, wenn die Presse sich immer wieder mal nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt, der eigentlich ein Stillstand ist. Bis zum April 2006 ist man mehr als dreitausend Spuren nachgejagt. In mehr als zwei Dutzend Fällen haben sich daraus Strafverfahren gegen Kinderschänder entwickelt, die auch zu einer Verurteilung geführt haben. Wenigstens das. Von den mittlerweile herangewachsenen Missbrauchsopfern hat man teilweise detaillierte und glaubhafte Beschreibungen der Taten und des »Maskenmanns« bekommen. Mehr als tausend Personen sind daraufhin überprüft worden. Doch das Ergebnis ist gleich null.
Dann aber, Mitte Mai, ergibt sich plötzlich eine heiße Spur, als im sächsischen Plauen bei der Durchsuchung einer Wohnung zufällig ein Video gefunden wird, das der Mieter nicht selbst hergestellt, sondern für einen Freund lediglich aufbewahrt haben will, ohne den Inhalt zu kennen. Zu sehen sind auf den Videosequenzen schlafende Kinder in ihren Betten. Die Aufnahmen dürften höchstwahrscheinlich in Ferienheimen oder Freizeitlagern entstanden sein, der Täter hat sich beim Betreten der Örtlichkeiten selbst gefilmt. Sofort werden die Ermittler der Soko »Kevin« informiert.
Weitere Nachforschungen ergeben, dass das Video von einem Mann stammt, der bei der Kripo in Plauen kein Unbekannter ist. Erst kürzlich konnte sie ihm anhand einer DNA-Probe eine merkwürdig anmutende Tat aus dem Jahr 1999 nachweisen: Nahezu unbekleidet war er in ein Kinderferienlager in Seifhennersdorf nahe der tschechischen Grenze eingedrungen, aber sofort wieder geflüchtet, als er von einem Betreuer entdeckt wurde.
Gerne würden die Fahnder den Verdächtigen befragen, doch das ist unmöglich – der Mann starb im Jahr 2003 bei einem Autounfall in Spanien. Und als sich herausstellt, dass der mehrfach verurteilte Sexualstraftäter im Frühjahr 1992 eine Haftstrafe verbüßte und erst im Mai entlassen wurde, ist die heiße Spur wieder kalt, da der Mann für wenigstens zwei der Knabenmorde, die von der Soko »Kevin« verfolgt werden, als Täter nicht in Frage kommt. Was sich so hoffnungsvoll angelassen hat, entpuppt sich wieder einmal als falsche Fährte.
Manfred Mohn ist in den
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