Killerspiel
der Nötigung passiert. Er kam deswegen nie vor Gericht und hatte sein Leben seitdem längst in Ordnung gebracht, aber … er schien uns einfach eine gute Zielperson für eine
Modifizierung
zu sein. Jedenfalls meinte das David. Um ihn aus der Stadt zu ekeln.«
Tony zögerte einen Moment. »Doch dann hat uns David eines Tages etwas erzählt, was wesentlich beunruhigender war. Er sagte, Katy versuchte, ihn zu erpressen. Und nicht nur ihn – den ganzen Club. Inzwischen war sie schon ein paar Jahre dabei gewesen, das war in den Achtzigern. Wir waren jünger, spielten härter. Tranken eine Menge, koksten eine Menge, feierten Partys, bei denen … das eine oder andere passierte. Wir waren nicht so diskret, wie es ratsam gewesen wäre. Und dann knöpfte sich Katy eines Tages Marie vor.«
»Sie war betrunken«, sagte Marie. »Sie kam auf der Straße direkt auf mich zu. Sie sagte, sie hätte Tonbandaufnahmen, auf denen die Gruppe über das Spiel spricht, hätte in den letzten Monaten einen Walkman dabeigehabt. Besäße auch Fotos von unseren … Freizeitbeschäftigungen. Sie hielt sich für mächtig schlau. Sie wurde ausfallend. Es war sehr peinlich. Offenbar ging sie davon aus, dass wir ihr und ihrem Freund aus dem weißen Abschaum Geld in den Rachen schmeißen würden, damit sie irgendwo hingehen und ein neues Leben anfangen konnten.«
»Ich hab gesagt, wir sollten sie auszahlen«, merkte Tony an. »Phil und Hazel waren derselben Meinung. Doch David hatte eine andere Idee.«
Ich wandte mich vom Fenster ab. Tony und Marie standen in einem Winkel zueinander, als wollten sie diesen Teil ihrer Vergangenheit nicht miteinander teilen. Ms. X sah aufmerksam zu.
»Wir waren dagegen«, sagte Marie.
»Aber wir sagten nicht nein.«
»Und Katy starb«, sagte ich, »es wurde John Hunter angehängt, und er wanderte in den Knast.«
»Das hat alles David gedeichselt«, sagte Tony hastig, als sei er erleichtert, diesen Teil der Geschichte nicht selbst erzählen zu müssen. »Wir hatten nichts damit zu tun. Und das war das einzige Mal, dass jemand gestorben ist. Bis dahin hatten wir den Leuten nur Streiche gespielt. Gerüchte verbreitet. Ihnen Sachen untergeschoben, um zu sehen, was passiert. Es war amüsant, das ist …«
»Amüsant?«, fragte ich und merkte, wie ich die Hände zu Fäusten ballte. Ich warf Ms. X einen Blick zu. Sie erwiderte ihn nicht, sondern sah zu Boden.
»Ich weiß, wie es aussieht«, sagte Tony. »Und wir wussten alle, dass es
falsch
war, das hatten wir alle irgendwann kapiert – aber da war es schon zu spät. Hazel sprach davon, zur Polizei zu gehen, aber wir wussten, dass das nicht in Frage kam. Wir konnten nicht für etwas in den Knast gehen, was wir nicht gewesen waren. Also redeten wir ihr die Sache aus.«
»Aber Sie haben mit den Spielen aufgehört?«
»Für eine Weile. Aber David … David drängelte immer weiter. Er liebte die Variante, bei der wir uns sozusagen im Kopf unserer Zielperson einnisteten. Er fuhr richtig darauf ab, im Leben anderer Leute rumzupfuschen.« Tony schloss einen Moment die Augen. »David war von Grund auf versaut. Das wurde immer deutlicher. Deshalb war Katy ihm gegenüber reserviert, und aus heutiger Sicht weiß ich, dass ihr Blick damals bei dieser ersten Begegnung genau das bedeutete. Sie kannte ihn schon als Teenager, wusste vielleicht etwas von ihm, was wir nicht ahnten. Mir dämmerten diese Dinge über ihn erst, als es zu spät war. Wir sagten, es darf keine Toten mehr geben. Und die gab es auch nicht. Aber David trieb es immer wilder, von Jahr zu Jahr. Die Spiele schienen ihm wichtiger zu sein als alles andere. Und jedes Mal, wenn es wieder so weit war, wurden sie größer angelegt, komplizierter. David fing an, Handlanger dazuzuholen, die im Hintergrund die Strippen zogen, wie Ihre Freundin da drüben.«
Ich warf Ms. X wieder einen Blick zu.
»Sie ist nicht meine Freundin«, sagte ich.
»Jedes Mal waren mehr Leute beteiligt. Jedes Mal wurde es raffinierter. Es wurde … es geriet ein bisschen außer Kontrolle. Und … sehen Sie, Bill, vielleicht wären Sie genauso gewesen, hätten Sie zu unserer Gruppe gehört. Sie sind Unternehmer, stimmt’s? Das scheint mir offensichtlich. Sie haben es im Blut, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, um ans Ziel zu kommen. Sie hätten auch Spaß an den Spielen gehabt.«
»Nein«, sagte ich. »Ja, ich wollte etwas aus mir machen, aber ich bin nicht wie Sie. Und jetzt ist also einer der Menschen, dessen Leben Sie
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