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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Nischen zwischen anderen Titeln verstreut – eine Menge Bücher über französische Geschichte und Kultur besaß, allesamt zehn bis fünfzehn Jahre überholt. Darunter auch Grammatiken und Vokabelbücher mit Anmerkungen, die er sorgfältig mit Bleistift an den Rand geschrieben hatte, und zwar in einer Handschrift, die mir exotisch erschien – eine engere, frühere Variante als die auf den Einkaufslisten oder Merkzetteln am Kühlschrank. Ich glaube nicht, dass ich von meinem Vater je auch nur ein einziges Wort Französisch vernommen habe, doch als ich eine Woche nach seinem Tod noch einmal im Haus war, um meiner Mutter beim Sichten seiner Hinterlassenschaft zu helfen, und mir zum letzten Mal diese Bücher ansah, begriff ich, dass sie ziemlich fortgeschritten waren und die Randbemerkungen davon zeugten, dass er sich nicht mal nur eben so die Bilder angesehen hatte.
    Irgendwann mit dreizehn Jahren hatte ich meine Mutter einmal danach gefragt. Sie hatte die Achseln gezuckt und erklärt, als Kind hätte mein Dad immer wieder mehrwöchige Ferien in Frankreich verbracht und sich seitdem mit dem Gedanken getragen, mehr Zeit dort zu verbringen. Aus der beiläufigen Art, in der sie es sagte, hatte ich geschlossen, dass mein Vater in den Jahren, bevor Klein Bill auf dem Planeten erschienen war, davon träumte, nach Frankreich zu ziehen. Wahrscheinlich eine Idee, die ihm im Kopf herumgegeistert war, über die er geredet und mit der er sie gelangweilt hatte … bevor ihm die Jahre den Wind aus den Segeln nahmen und das Schiff seiner Träume auf einer Sandbank aus mangelnder Entschlossenheit und Antriebsschwäche stecken blieb.
    Aus der grausam kritischen Sicht, zu der man neigt, wenn jemand abgetreten ist und nichts mehr zu sagen hat, erkannte ich, dass meine Einschätzung richtig gewesen war, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad. Halb richtig, doch auch halb falsch, naiv und gnadenlos – auf die herzlose Art, in der Kinder die Erwachsenen oft beurteilen, an deren Stelle sie einmal treten werden.
    Es gibt Männer, die sich ihren Traum erfüllen, egal wie schlecht er ins Konzept anderer Menschen passt. Patriarchen, die ein Machtwort sprechen, ihre Lebensgefährtin in Geiselhaft nehmen und ihr so lange das Leben zur Hölle machen, bis sie bekommen, was sie verdammt noch mal wollen. Mein Vater war kein solcher Mann, und mit den Jahren begriff ich, wie es wohl eher gewesen war. Dass das Geld dazu gefehlt hatte. Dass meine Mutter in der Stadt Verpflichtungen eingegangen war, von Teilzeitjobs bis zur Organisation von Schulfesten und dergleichen – nichts, was das Vorhaben entscheidend zu Fall gebracht hätte, doch genug für einen Mann, der sie liebte und zu würdigen wusste, was sie tat, um sich zurückzuhalten und seine Ambitionen zu zügeln, damit sie glücklich war. Und sie hatten ein Kind, dessen Freunde und soziales Umfeld vor Ort waren. Außerdem gab es immer irgendein besonderes Ereignis, das bevorstand, ein Geburtstag oder eine Prüfung oder irgendeine Art von Initiationsritus, etwas, das nur auf heimischem Boden stattfinden konnte, oder ein Angehöriger, der vielleicht das nächste Jahr nicht überleben würde. Irgendetwas, das einem die Flügel stutzte.
    Andererseits war da die Tatsache, dass mein Dad eher so etwas wie ein abstraktes Substantiv und kein Verb war: ein Fühlwort, kein Tuwort. Es war traurig, dass er nicht bekommen hatte, was er sich wünschte, doch daran waren weder meine Mom noch ich noch der Rest der Welt schuld. Er war ein netter Kerl, und ich bin mir sicher, er hatte nette Träume, doch wir schlafen nur die Hälfte des Tages, weshalb Träumen nur die halbe Miete ist. Vom Hätte, Wäre, Wenn kann man sich nichts kaufen.
    Dad hat die Zukunft, die er sich erhofft hatte, selbst verloren, wahrscheinlich ist sie ihm eines Nachts im Schlaf entglitten, und er hat es erst gemerkt, als es zu spät war. Vielleicht hat er es auch nie gemerkt. Gut möglich, dass er sich an dem Tag, an dem er diese beiden schweren Eimer mit Farbe hochhob, gerade das perfekte kleine französische Fischerdorf ausmalte und überlegte, wie er seiner Frau – jetzt, da das Kind aus dem Haus war – klarmachen sollte, dass der ideale Zeitpunkt für die Übersiedlung gekommen sei.
    Doch ich wage es zu bezweifeln. Träume sind unsterblich, launisch, egoistisch: die lauernden Katzen des Unterbewusstseins. Wird erst klar, dass man sie nicht in die Tat umsetzen wird, lassen sie einen im Stich und streichen einem anderen um die

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