Killerspiel
zugezogen, und es wäre ihnen nichts passiert, hätten sie sich einfach nicht vom Fleck gerührt. Derzeit gab die Polizei die Namen der Toten und Verwundeten noch nicht bekannt. Ich hätte gar zu gern gewusst, wer jetzt dort die Stellung hielt, nachdem Hallam tot und Barclay anderweitig beschäftigt war. Ich überlegte, ob ich den Nachrichtensender anrufen sollte, damit sie jemanden zu mir nach Hause schickten, verwarf die Idee jedoch. Im Moment war mir völlig egal, was da passierte. Das Einzige, was für mich jetzt zählte, war die Frau, die in dem Gebäude auf mich wartete, zu dem ich gerade rannte.
Im Erdgeschoss herrschten chaotische Zustände, die niemand im Griff zu haben schien. Es wimmelte von Ärzten und Sanitätern, von Angehörigen und Freunden der alteingesessenen oder zugezogenen Bürger, die hier eingeliefert worden waren. Laute Rufe, viele Wartende mit dem Handy am Ohr. Ich tauchte in der dichtesten Menschentraube unter, damit niemand auf meine Hose aufmerksam wurde, und gab mir Mühe, nicht als der einzige Besucher aus dem Rahmen zu fallen, der einen klaren Zweck verfolgte. Es ging langsam voran, und als ich endlich in die Nähe der Fahrstühle kam, sah ich mich mit einem weiteren Problem konfrontiert. Ich stieß einen Fluch aus, und meine spröde Stimme erschreckte ein paar Leute in meiner Umgebung.
Im ganzen Flur wimmelte es nur so von Polizei. Offenbar waren sie da, um den Zugang zu den Fahrstühlen einzuschränken – wahrscheinlich, um die Reporter von der Intensivstation fernzuhalten. Die Cops wirkten überlastet und gestresst. Ich vermutete, dass sie aus Sarasota stammten und nicht direkt zu Barclay gehörten, konnte mir allerdings nicht sicher sein. Vielleicht bildete ich mir das ja nur ein, doch ich hatte das Gefühl, als würde einer von ihnen die Menschenmenge nach einer bestimmten Person absuchen. Vielleicht nach mir. Vielleicht auch nicht.
Ich machte mich wieder in der dichten Menschenmenge unsichtbar, doch irgendwie landete ich in dem Geschubse erneut in der Halle, aus der ich gekommen war. Ohne mir große Hoffnungen zu machen, zog ich mein Handy heraus und rief per Direktwahl Stephs Handynummer an.
Sie meldete sich nicht. Mir kam eine Idee, und so machte ich kehrt und drängte in die entgegengesetzte Richtung.
Ich fand ein Treppenhaus unweit des Haupteingangs, das nach unten wie nach oben führte. Es war nicht bewacht. Vermutlich würden die Cops diese Lücke bald stopfen, und so rannte ich hoch, so schnell ich konnte.
Im dritten Stock stürzte ich aus der Tür und lief durch den Flur – nicht mehr gar so schnell, doch zügig, direkt in den Wartebereich, dem ich bereits heute Morgen einen Besuch abgestattet hatte. Hier wimmelte es von Ärzten und Schwestern und Leuten, die in gedämpftem Ton miteinander sprachen. Wahrscheinlich befanden sich die meisten Verletzten hier in der Intensivstation.
Ich hörte jemanden sagen: »Der Schütze. Vor dreißig Sekunden. Das kardiologische Notfallteam ist unterwegs.«
Hinter der weißen Schwingtür am anderen Ende des Korridors war es leiser; hier standen ein paar Leute und starrten mit unglücklicher bis verzweifelter Miene aus den Fenstern. Ich rannte bis ans Ende und riss die Tür zu Stephs Zimmer auf.
Das Bett war leer.
Es war leer, aber zerwühlt, und der Raum sah nicht so aus, als hätte man ihn für den nächsten Patienten frei gemacht. Während ich im Flüsterton unentwegt das Wort
nein
wie ein Mantra wiederholte, hastete ich zu dem Nachttisch neben dem Bett. Medikamente, ein Nachthemd zum Wechseln. Und Stephs Handtasche. Wo steckte sie also?
War jemand vor mir hergekommen?
Ich konnte ihre Kleider nirgends finden, was, wie ich hoffte, ein gutes Zeichen war. Ich rannte wieder in den Flur und stieß um ein Haar mit einem Mann in weißem Kittel zusammen. Der Wiedererkennungseffekt setzte mit Phasenverschiebung ein, und so drehten wir uns beide zueinander um. Es war der Arzt, mit dem ich am Morgen gesprochen hatte.
»Wo ist sie?«, fragte er verärgert.
»Das fragen Sie mich?«
»Sie wissen es nicht?«
»Natürlich nicht – oder würde ich sonst nach ihr suchen? Ich hab vor einer halben Stunde auf der Station angerufen. Ich wurde zu ihr durchgestellt, also war sie da noch hier.«
»Ich hab vor zehn Minuten bei Ihrer Frau vorbeigeschaut, aber das Bett war leer. Ich hab auf dem ganzen Stock nach ihr gesucht.«
»Gott«, sagte ich. »Haben Sie irgendjemanden hier oben gesehen? Jemanden, der hier nichts zu suchen
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