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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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verriegelt wird. Es klingt wie eine provisorische Vorrichtung, etwas aus Hartholz mit einem Vorhängeschloss.
    Er hört, wie sich auf dem Betonfußboden in der Tiefe Schritte nähern. Unter der Stelle, an der er sitzt, halten sie an, und es folgt eine schwer zu deutende Reihe von Geräuschen, die damit enden, dass sich Hunter auf das Halbgeschoss hochhievt, auf dem er selbst sich befindet. Er tut das mit beängstigender Mühelosigkeit, so wie jemand, der sich an der flachen Seite aus einem Swimmingpool hochstemmt. Der Mann auf dem Stuhl kann nicht wissen, wie viel von dieser Kraft und Gelenkigkeit daher rührt, dass Hunter Tag für Tag in seiner Zelle eisern trainiert hat; zusätzlich zu den Sporteinheiten auf dem Hof und weiteren Trainingsprogrammen wie den Hantelübungen, an denen die Insassen, wenn sie wollten, zweimal die Woche teilnehmen konnten. Als er oben ist, wischt er sich den Staub von den Händen. Ohne den anderen Mann eines Blickes zu würdigen, geht er zu einer der Planen hinüber, zieht sie zur Seite und blickt hinaus.
    »Schöner Tag«, sagt er. »Für dich vielleicht ein bisschen zu warm.«
    Der Mann auf dem Stuhl sagt nichts. Er weiß, dass Hunter zwischendurch schon einmal zurückgekommen war. Der Mann erwachte kurz nach dem Morgengrauen aus einem unruhigen leichten Schlaf und sah, dass neben der Kreideschrift »Wer noch?« eine Flasche Quellwasser auf dem Boden stand.
    Nicht sehr subtil. Aber wirkungsvoll.
    Wäre es dem menschlichen Willen möglich, physische Gegenstände zu bewegen, wäre die Flasche jetzt nicht mehr dort, sondern auf dem Schoß des Mannes und leer. Ist sie aber nicht. Sie steht neben der Kreideschrift und ist noch voll.
    Hunter folgt seinem Blick. »Ach ja«, sagt er. »Das hast du gesehen, ja? Das Wasser? Verlockend, nicht wahr?«
    »Leck mich.«
    »Willst du wissen, was ich zum Frühstück hatte? Oder zum Mittagessen? Mann, tut das gut, mal wieder anständiges Essen zu kriegen.«
    »Ich verweise auf meine vorherige Antwort.«
    Hunter erzählt es ihm trotzdem. Der Mann versucht, nicht hinzuhören. Jeder Schluck bleibt ihm schmerzhaft im Gedächtnis haften. Sein Kopf fühlt sich an, als steckte er in einem Schraubstock. Es fällt ihm zunehmend schwerer, geradeaus zu denken, und so baut er darauf, die eher klaren Momente aneinanderzureihen, welche die Wogen von Schmerzen in seinem Bein in regelmäßigen Abständen mit sich bringen. Seit Hunter den Betonstein darauf fallen gelassen hat, blutet es immer mal wieder, und der Muskel fühlt sich den ganzen Oberschenkel hinauf schwer und geschwollen an. Er hofft, dass dies teilweise mit dem dumpfen, pochenden Schmerz zusammenhängt, den er jetzt im ganzen Körper spürt und der vom Flüssigkeitsmangel herrührt und davon, dass er so lange reglos in ein und derselben Stellung verharren muss.
    Es sagt etwas über seine Qualen aus, dass der Mann die Abwechslung willkommen heißt, wenn sich ihm vor Hunger der Magen verkrampft. Er ist es gewohnt, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden, bevor sie sich melden. Inzwischen protestiert sein Körper laut und schrill. Sein Körper schlägt Alarm. Der Versuch, an abstrakte Dinge zu denken, ist die einzige Taktik, die ihm zu Gebote steht, um seine kreatürlichen Ängste zu beschwichtigen.
    Er hat den ganzen Tag damit zugebracht, sich darauf zu konzentrieren, was als Nächstes zu tun ist, und glaubt daher, endlich einen Plan zu haben.
     
    Dieser hat erst spät Gestalt angenommen. Es fällt einem schwer zu schlafen, wenn man an einen Stuhl gefesselt ist, und er hatte eine unruhige Nacht – nicht zuletzt, weil er immer wieder von Gewittern geweckt wurde. Am frühen Nachmittag ist er eine Weile weggedämmert. Erinnerungen kamen hoch. Einige aus jüngerer Zeit, einige von früher. Er hat sich bemüht, nur an die guten Zeiten zu denken, hat jedoch eine Lektion gelernt, wenn auch ein bisschen spät. Wenn man in der Welt agiert, muss man daran denken, dass man – auf dem Sterbebett oder dem Sterbe
stuhl
 – gezwungen ist, zurückzublicken. Unter diesen Umständen erscheint das Verhältnis zwischen Gut und Schlecht in einem unbarmherzigen Licht. Die Zeit wird nivelliert, so dass einem Vorfälle aus der frühen Jugend so greifbar erscheinen, als wäre es gestern gewesen.
    Eine kleine Gruppe von Männern, die sich um eine Frau schart.
    Damals, als er und Katy per Anhalter nach Key West herunterkamen und sich einen üblen Sonnenbrand holten, als sie die Rochen im Hafen beobachteten und sich dann den

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