Killerspiel
Sonnenuntergang ansahen und es ihm egal war, für eine Weile in der Menge aufzugehen.
Eine halbnackte, von Martinis betrunkene Frau, die eine Hand nach einem kleinen Jungen ausstreckt.
Als er zu klarem Bewusstsein erwacht, hat er bereits akzeptiert, dass er jemanden verraten muss. Alles an Hunter und seinem Verhalten lässt keinen Zweifel daran, dass er ihn nicht so schnell loswerden wird. Diese Entscheidung ist gefallen. Unwiderruflich. Er hat nur die Wahl zwischen drei Namen, denkt er anfänglich zumindest – und da er bereits selbst dabei gewesen war, etwas gegen diese Leute zu unternehmen, könnte es ihm völlig egal sein. Die einzige entscheidende Frage ist, ob die Wahl, die er trifft, irgendeinen Einfluss auf seine eigenen Überlebenschancen hat.
Doch dann wurde ihm bewusst, dass er noch eine weitere Möglichkeit hatte, einen Namen, den er preisgeben konnte,
ohne
jahrzehntelanges Vertrauen zu verraten, und wodurch vielleicht sogar eine Botschaft vermittelt würde, die Hilfe bringen könnte. Der Gedanke fühlte sich für einen Moment wie eine Woge kühles Wasser in seinem Kopf an. Auch wenn er angeschossen und dehydriert an einen Stuhl gefesselt war, erwog er in dieser kühlen Nische in seinem Kopf, welches Angebot er am besten unterbreiten sollte.
Er dachte es gründlich durch und kam zu dem Schluss, dass der neue Plan gut war. Sein Leben lang hatte er Ermessensentscheidungen treffen müssen. In diesem Fall sagte seine Einschätzung ja. Also war es nur noch eine Frage des Timings.
Des Wie und des Wann.
Zurück ins Hier und Jetzt, in den stickigen Spätnachmittag. Er stellt fest, dass Hunter sich ihm genähert hat und auf ihn heruntersieht.
»Ich will deiner Freundin nichts tun«, sagt er gerade. »Lynn, stimmt’s? Zum einen, weil sie unschuldig ist, mal abgesehen vom Ehebruch, vor allem aber, weil ich einfach nicht davon überzeugt bin, dass dir etwas an ihr liegt. Es könnte also vergebliche Mühe sein. Und Verschwendung einer hübschen Frau – und Gott weiß, wie wenig Schönheit es auf dieser Welt gibt. Ich bin einfach nur an ihrem Haus vorbeigefahren, als sie nicht da war, und habe diesen Morgenmantel mitgebracht, um dir zu zeigen, dass ich es ernst meine.«
Der Mann auf dem Stuhl schweigt.
»Aber jetzt läuft uns die Zeit davon. Ich habe keine Erfahrung mit solchen Dingen, daher weiß ich nicht genau, wie lange du durchhalten kannst. Ich hab’s allerdings gegoogelt, und demnach wird es nach achtundvierzig bis zweiundsiebzig Stunden so richtig ungemütlich. Ehrlich gesagt, siehst du jetzt schon scheiße aus, und morgen soll es für diese Jahreszeit erst so richtig heiß werden. Also, warum sagst du mir nicht einfach, mit wem ich noch reden muss, und dann sehen wir weiter?«
Der Mann auf dem Stuhl bleibt stumm. Er registriert, dass Hunter sich nur mit Mühe beherrschen kann, dass es ihm zunehmend schwerer fällt. Schweigen birgt ein Risiko, doch eines, das er eingehen muss. Er sieht zu Hunter hoch und zwinkert obendrein.
Hunter kommt noch ein paar Schritte auf ihn zu. »Du machst mich allmählich stinksauer.«
Der Mann auf dem Stuhl lächelt.
Hunter betrachtet das rechte Schienbein des Mannes. Er seufzt und versetzt ihm einen Tritt. Der Mann auf dem Stuhl schnappt nach Luft, beißt die Zähne zusammen und wartet, bis die Sternchen verblassen, die er vor glühenden Schmerzen sieht.
»Ich tu so was nicht gerne«, sagt Hunter, und es klingt seltsam ehrlich. »Ich hab schon lange, bevor wir uns begegnet sind, aufgehört, ein solcher Typ zu sein. Aber ich hab dir klargemacht, was ich brauche, und du kommst mir einfach kein bisschen entgegen. Verstehst du, dass das die Sache für mich schwierig macht?«
Der Mann auf dem Stuhl hebt den Kopf. »Weißt du, wie du klingst? Du klingst wie ein Vater, der sein Kind schlagen will, der richtig übel draufschlagen will und
weiß,
dass er es tun wird, und das nur, weil er einen Kater hat und ein Arschloch ist, aber die Schuld, die will er dem Kind zuschieben.«
Hunter macht den Mund auf, schließt ihn dann aber so schnell und heftig, dass man es klicken hört.
»Na? Klingt das vertraut?«, fragt der Mann auf dem Stuhl. »Ruft das vielleicht irgendwelche Erinnerungen wach?«
Hunter legt den Kopf schief, und der Mann auf dem Stuhl erkennt, dass er viel exakter ins Schwarze getroffen hat als beabsichtigt und dass der Schuss für ihn möglicherweise nach hinten losgegangen ist.
»Du redest mit mir über Kinder?«, sagt Hunter leise. »Wegen dir habe ich
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