Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
Vom Netzwerk:
nur dazu, einen zu verhöhnen. Doch Hunter hält Warner die Flasche vor den Mund.
    Obwohl Warner fürchtet – weiß –, dass auch das wohl nur ein Trick ist, kann er in seiner Verzweiflung nicht widerstehen, und beugt sich gierig vor. Hunter hält ihm die Flasche an die Lippen und neigt sie behutsam. Ein langsamer, stetiger Wasserstrom rinnt ihm in den Mund. Er spürt, wie es die Speiseröhre hinunter und schließlich in den Magen rinnt. Hunter hält die Flasche im richtigen Winkel, damit das Wasser weiterfließt, bis sie ganz alle ist.
    Dann zerdrückt er sie und steckt sie in die Tasche. Er kehrt zu der Stelle des Vorsprungs zurück, an der er am Vortag heraufgekommen ist.
    »Schlaf gut, David.«
    Warner kämpft gegen die plötzliche Übelkeit an und sieht ihn an. »Sie hat dir noch jemanden genannt, nicht wahr?«
    Hunter lächelt. »Ich bin bald wieder da.«
    Er setzt sich auf die Kante und will gerade darunter verschwinden, doch dann hält er inne, als wäre ihm eine Idee gekommen. »Ach, übrigens«, fügt er hinzu. »Als ich nach Longboat runtergefahren bin, hab ich was gesehen. Keine Ahnung, was da los ist, aber du vielleicht. Offenbar interessieren sich die Cops für dein Haus. Hab vier oder fünf Wagen gesehen. Plus ein, zwei Transporter von der KTU . Sieht mir nach ziemlichen Geschützen aus für jemanden, der vermisst gemeldet ist, egal, wie reich er ist.«
    Er zwinkert und ist verschwunden.
     
    Das Wasser hat gewirkt. Er kann wieder klar denken. Warner weiß, dass es nur vorübergehend ist, und aus irgendeinem Grund hat er das Bild eines treuen Hundes vor Augen, der mit seinem alten, toten Besitzer in ein Haus eingeschlossen ist, am Blut der Leiche leckt, ein Loch hineinbeißt und an dem, was er vorfindet, schnüffelt und kaut. Großartig für den Moment. Ein Fleischparadies. Aber wenn es weg ist, dann ist es weg.
    Er fühlt sich ganz gut. Seine Gedanken lassen sich jetzt viel besser auf das Positive beschränken, auf die goldenen Stunden und Tage. Seine Gedanken sind wie starke Hände, die in seinem Kopf Momente in seinem Leben in die Höhe halten, so dass er sie hin und her wenden und die Vergangenheit aus jedem Blickwinkel betrachten kann. Früher hätte ihm das Nadelstiche aus Zweifeln und Schuldgefühlen bereitet. Aber jetzt? Dafür gibt es keinen Grund mehr, keinen Raum und keine Zeit. Er kann einfach der sein, der er ist und schon immer war.
    Er starrt mit offenen Augen geradeaus. Nach einer Weile tun sie ihm weh und verschwören sich mit dem abendlichen Zwielicht, so dass die Winkel des Raums im Schatten liegen.
    Als die Frauen eintreffen, weiß er, dass sie nur in seiner Phantasie existieren. Bei Katy ist er sich immer noch nicht sicher, doch er weiß, dass die Gestalten, die jetzt am Rand seines Gesichtsfelds erscheinen, nur Geschöpfe seiner Erinnerungen sind. In dem Moment fällt ihm wieder ein, dass er tatsächlich diese Idee mit dem Phantasieindex hatte, von der ihm Katys Geist erzählt hat. Er weiß, dass ihm seine eigene Einbildungskraft das alles beschert, nur dass die Gestalten, die jetzt kommen und sich auf seiner Empore um ihn scharen, nicht zu denen zählen, die sich zu ihm hingezogen fühlten. In ihrem Leben hat er eine ganz andere Rolle gespielt, und sie sind zahlreich. Ihm war nicht bewusst, wie viele.
    Er hat keine Angst.
    Aber er ist auch kein Dummkopf.
    Als er so weit ist, krallt er beide Hände um die Enden der Lehnen. Er stemmt sich mit den Fußballen gegen den Boden. Er schließt die Augen und drückt sich ab, so dass sich die Vorderbeine ein kleines Stück lösen.
    Dann wirft er sich, so fest er kann, mit dem Rücken gegen den Stuhl.
    Der Stuhl schaukelt, zwei Mal, und kippt langsam nach hinten über den Rand.

20
    I ch fuhr nicht weit. Nachdem ich es, ohne einem Streifenwagen zu begegnen, bis zur Hauptstraße geschafft hatte, beruhigte ich mich ein wenig. Ich wusste, dass ich nicht besonders klug handelte, aber auch, dass es nicht gerade ein CNN -würdiger Western war. Woher sollte ich wissen, dass die Cops zu mir unterwegs waren? Na schön, weil Karren es mir gesagt hatte – aber das wussten sie ja (noch) nicht. Außerdem hätten sie vorher anrufen sollen, oder? Man kann schließlich nicht einfach davon ausgehen, dass die Leute nur rumsitzen und nichts Besseres zu tun haben. Ich jedenfalls war beschäftigt. Ich hatte eine Verabredung mit einem Kunden, einen Zahnarzttermin, eine Selbsterfahrungs-Trainingsgruppe und Astrologie-» LAN -Party« oben in Bradenton. Ich

Weitere Kostenlose Bücher