Killerspiel
alles raus, mein Freund. Das gute Besteck hol ich nur bei besonderen Gästen raus. Ich zähl dich mal dazu, für die Dauer dieses Telefonats.«
»Okay.« Es machte mich nervös, nicht zu wissen, was sie sagen würde oder wie ich mich überhaupt in die Lage gebracht hatte, mir Karren Whites Meinung zu irgendetwas anzuhören.
»Wenn sie richtig sauer ist, dann will sie zurückkommen, die Tür zuknallen und dir lauthals eine Gardinenpredigt halten. Es hat überhaupt keinen Sinn, der Sache auszuweichen, also lass dieses Donnerwetter einfach über dich ergehen. Unterdessen bereite dich seelisch darauf vor, dich zehnmal öfter zu entschuldigen, als du glaubst, es zu ertragen.«
»Und dann?«
»Ab da muss ich passen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich so aussieht, als tickten wir Mädels alle gleich, aber in Wahrheit ist jedes Exemplar unserer Spezies ein klein bisschen anders.
Du
musst wissen, was Stephanie als Nächstes von dir hören will.«
»Nein«, sagte ich gequält. »Das hab ich nicht gemeint. Ich meinte … wenn sie nun
nicht
zurückkommt?«
Es war seltsam, so mit Karren zu reden, wenn auch weniger seltsam als erwartet. Vielleicht wegen der Bilder, die ich gesehen hatte – mit ihrer falschen, doch wirkungsvollen Unterstellung einer Verbindung. Ein Teil von mir war sich allerdings auch bewusst, dass Steph, falls sie in diesem Moment ins Haus marschierte und mich mit Karren am Telefon vorfand, auf der Stelle wieder einen Abgang machen würde. Dieses Gespräch musste bald enden, wie sehr Karren sich auch bemühte, mir zu helfen.
»Falls sie bis Mitternacht nicht zurück ist, sag’s den Cops«, riet Karren. »Vielleicht solltest du’s schon früher erwähnen, sie schon mal vorwarnen, wenn sie kommen.«
»Wie meinst du das, wenn sie
kommen?
«
»Mist, tut mir leid – hab ich das nicht gesagt? Sie sind auf dem Weg zu dir. Müssten jeden Moment da sein.«
»Du hast mir sehr geholfen, Karren. Danke. Ich werd mit ihnen reden und das mit Steph zurechtbiegen.«
»Gern geschehen, ich hab …«
Wahrscheinlich sagte sie noch mehr, doch ich legte auf und kehrte ins Haus zurück. Ich goss mir ein großes Glas kaltes Wasser aus dem Kühlschrank ein und trank es in langsamen, gleichmäßigen Zügen. Dann stellte ich das Glas in die Spülmaschine, drehte mich wieder zum Wohnzimmer um. So weit, so gut.
Doch dann beging ich eine Dummheit. Ich kann nicht mal sagen, wieso. Vielleicht, weil meine Nerven nach der Warterei im Haus zum Zerreißen gespannt waren. Ich wusste, ich hatte nichts Unrechtes getan. Die Aussicht, das alles
noch einmal
erklären zu müssen, versetzte mich in Panik – und die Vorstellung, herumzusitzen und auf die Cops zu warten, findet niemand besonders amüsant. So oder so sagte mir nicht der Verstand, sondern mein Bauchgefühl:
Nee, das muss ich mir nicht antun.
Ich ging ins Wohnzimmer und griff zu einem Block. Ich schrieb eine Nachricht:
Steph – bitte ruf mich an. Es tut mir wirklich leid.
Aber ich muss mit dir reden – sofort.
Ich liebe dich, Bxxx
Den Zettel legte ich neben dem Telefon auf die Arbeitsplatte.
Dann verließ ich das Haus.
19
H ast dich wohl für ziemlich schlau gehalten, wie?«
Warner erschrickt, als er Hunters Stimme hört. Er hat genau hingehorcht, auf Geräusche geachtet, und doch ist der Mistkerl auf einmal unangekündigt wieder da. Das ist beängstigend. Es wird immer wichtiger, dass er sich auf seine Sinne verlassen und genau unterscheiden kann, was real ist und was nicht.
Er hebt den Kopf und sieht Hunter an die gegenüberliegende Wand gelehnt. Er starrt ihn reglos an. Es scheint völlig unmöglich, dass er von woanders auf irgendeinem Weg hier heraufgekommen sein könnte. Irgendwie muss er die ganze Zeit hier gewesen sein.
»Bist du das?«
Hunter steht einfach nur mit seinem Totem-Gesicht da. Er sieht nicht glücklich aus.
Warner blickt erschöpft von Hunter zu den Planen, die seit fast zweiundsiebzig Stunden seine einzigen Fenster sind. Zuerst hat er es gehasst, dass sie ihm den Blick versperren, doch inzwischen ist ihm klar, dass er auf diese Weise sehen kann, was er möchte. Das Licht, das sie filtern, verblasst jetzt wieder. Was das Zwielicht in Florida mit dem Himmel macht, wie sich der Sonnenuntergang entfaltet, wenn vom Meer die Dunkelheit herüberzieht, ist wunderschön. Manchmal sind die Farben ein wenig grellbunt, aber wen stört das schon? Das Leben ist grellbunt. Großartig ist das Leben.
Pack es mit beiden Händen, tu’s einfach, dreh
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