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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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und etwa sechzig Dollar in bar. Alles ganz gut und schön.
    Ich trug ein zerknittertes Hemd und eine ausgebeulte Chino-Hose, beides schweißgetränkt. Am unteren Rand zierten rote Weinflecken meine Hosenbeine – seit dem Moment, als das ganze Zeug wieder raus- statt reinkam. Vor lauter Kopfschmerzen platzte mir fast der Schädel, und dazu kamen noch meine zitternden Hände, die sich nicht nur durch die sportliche Einlage erklären ließen, und eine Übelkeit, die meinen ganzen Körper erfasst hatte und sekündlich schlimmer wurde. Das alles war weniger gut.
    Und dann fiel mir plötzlich ein, dass ich meinen USB -Stick bei Cass in der Wohnung gelassen hatte, auf dem sich sowohl die Bilder von Karren befanden – mein Beweis dafür, dass mir jemand übel mitgespielt hatte – wie auch Kopien von Briefen und Dokumenten mit meinem Namen und meiner Adresse. Die Fotos konnten also im Bruchteil einer Sekunde mit mir in Verbindung gebracht werden.
    Es stand tatsächlich schlechter um mich, als mir klar gewesen war.
     
    Ich überzeugte mich schließlich davon, dass ich mich nicht übergeben würde, und lief erneut mit eiligen Schritten weiter. In der Mitte des nächsten Blocks fand ich einen Minimarkt. Ich kaufte mir eine Flasche gekühltes Wasser und eine Packung starke Schmerztabletten. Eine Handvoll besagter Pillen spülte ich mit dem Wasser herunter, noch bevor ich beides bezahlt hatte. Mein Magen versuchte, dagegen zu rebellieren, doch ich ignorierte ihn.
    Draußen ging ich noch einmal meine Möglichkeiten durch, während ich, für den Fall, dass diese Unbekannte mir irgendwo auflauerte, ein wachsames Auge auf die Straßen und Gehsteige hatte. Ich konnte nicht geradeaus denken, doch was ich immer wieder vor Augen hatte, wie ein hell leuchtendes Signal, war die Tatsache, dass es bald halb zehn war. Das hieß, Karren würde an ihrem Schreibtisch sitzen und sich fragen, wo zum Teufel ich steckte. Aus beruflichem Ehrgeiz war mir das ziemlich egal, zumindest an diesem Morgen. Dennoch hätte ich jetzt eigentlich dort sein müssen. Obwohl mein Leben völlig aus den Fugen geraten war, ließ mir dieser Gedanke irrsinnigerweise keine Ruhe.
    »Karren«, sagte ich, als sie sich meldete. Das Hämmern in meinem Kopf war so laut, dass ich Angst hatte, sie könnte es am anderen Ende hören.
    »Hey«, sagte sie freundlich. »Hab mich schon gefragt, wo du abgeblieben bist. An deinem Schreibtisch warst du nicht, stattdessen bist du jetzt am Handy.«
    Ihre Stimme klang wie eine Hörpostkarte aus besseren Zeiten, so bittersüß, dass ich hätte heulen können.
    »Ja, ich war, ähm, ich wurde aufgehalten.«
    »Kein Problem. Hier herrscht heute Morgen sowieso tote Hose. Konntest du dein Problem lösen?«
    Ich hatte keine Ahnung, was in aller Welt ich darauf sagen sollte. Dann fiel mir wieder ein, dass sich unser letztes Gespräch um Stephanie und die Frage gedreht hatte, wo sie steckte. »Bin noch dabei«, sagte ich. »Aber ich bin guter Dinge, dass ich Fortschritte mache.«
    »Das freut mich, Fortschritte sind immer gut. Also, was denkst du, wann kann ich mit dir rechnen?«
    »Dauert wohl noch eine Weile«, sagte ich und schirmte das Handy mit der hohlen Hand ab, damit sie den rauschenden Verkehr nicht hörte. »Hab in einer halben Stunde einen Termin, schätze, ich fahr am besten direkt hin.«
    »Tatsächlich? Was Vielversprechendes?«
    »Ach was. Nur das Übliche. Dann bis später.«
    Als ich das Gespräch beendete, hörte ich im Kopf das Echo meiner letzten Worte.
Nur das Übliche.
Mir war klar, dass ich jetzt zwei Möglichkeiten hatte.
    Weglaufen … oder es bleibenlassen.
    Entweder setzte ich mich durch mein Verhalten dem Verdacht aus, etwas Verbotenes getan zu haben – wo ich in Wahrheit
gar nichts
getan hatte –, oder ich hielt mich weiter an »das Übliche« und versuchte zugleich, herauszubekommen, was hier verdammt noch mal eigentlich vor sich ging, und dem Spuk ein Ende zu bereiten. Mit anderen Worten, tatsächlich Zuflucht in meinem ganz normalen Leben zu suchen.
    Ich war mir augenblicklich sicher, welche der beiden Möglichkeiten mehr Sinn ergab, was mir erst das Gespräch mit Karren klargemacht hatte. Für sie war mein Leben
business as usual,
der immer gleiche Podcast: Der vielversprechendste Makler von Longboat Key, der die Welt seinem Willen unterwirft. Von allem anderen hatte sie keine Ahnung: Sie würde nicht plötzlich auf unerklärliche Weise erfahren, was mich heute Morgen erwartet hatte, nur weil mein ganzes

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