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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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nicht, was mit Cass passiert war, wer sie umgebracht hatte und – um Gottes willen – wieso. Ich wusste nicht, wo Steph war – auch wenn ich hoffte, dass es mit alledem nichts zu tun hatte. Ich wusste nicht, warum diese andere Frau aufgetaucht war, wie sie erfahren hatte, dass ich in Cassandras Wohnung war. Ebenso wenig wusste ich, wieso sie, nachdem sie erst in die eine Richtung gefahren war, plötzlich gewendet hatte. War da wirklich jemand vor uns auf der Straße aufgetaucht? Oder hatte sie das auch nur gespielt, um mich davon zu überzeugen, dass eine Verfolgung im Gange war, und zwar rein zufällig in dem Moment, in dem ich wieder Luft bekam und mich fragen mochte, wieso ich mich von jemandem, den ich kaum kannte, aus einem Gebäude zerren ließ?
    Woher sollte ich wissen, was stimmte und was nicht?
    Sie hatte zugegeben, dass sie daran beteiligt gewesen war, mein Leben zu ruinieren. Weshalb sollte ich annehmen, dass sie jetzt plötzlich etwas anderes im Sinn hatte? Lag es nicht vielmehr nahe, dass dies nur eine weitere Rolle in dem Spielchen war, das da jemand mit mir trieb? Wusste sie tatsächlich nicht, wo Stephanie war, oder tat sie nur so, um mich auf ihre Seite zu bekommen? Würde sie mir, wenn sie an den Tisch zurückkam, mehr Lügen auftischen? Hatte ich die geringste Chance, zwischen Wahrheit und Schwindel zu unterscheiden?
    Ich erkannte, dass dies aussichtslos war und mir im Moment nur zwei Dinge übrigblieben:
    Meine Frau zu finden.
    Mit der Polizei zu sprechen.
    Zu beidem brauchte ich diese Frau nicht.
    Sie war an der Reihe. Der Mann hinter der Theke starrte sie dummdreist an. Die Frau blickte kurz zu den Angebotstafeln hoch, was man unwillkürlich tut, selbst wenn man längst weiß, was man bestellen will. Sie war beschäftigt, jedenfalls für ein Weilchen.
    Ich stand auf, ging in normalem, gleichmäßigem Tempo zur Tür. Ich öffnete sie, trat hinaus und rannte erst los, als ich den Bürgersteig erreicht hatte.

29
    I ch versuchte, clever zu sein, und das war mein Fehler. Solange ich mich einfach mit »vernünftig« oder »halbwegs vernünftig« zufriedengab, ging es nicht daneben. Clever war einfach zu viel. Ich lief im Eilschritt den Bürgersteig entlang – und riss mich dabei am Riemen, denn obwohl ich am liebsten lossprinten wollte, tat ich es nicht; wer hetzt schon an einem Freitagmorgen um neun Uhr durch die Straßen, ohne entweder offensichtlich jemanden zu verfolgen oder abzuhauen, weil er was ausgefressen hat? Also hatte ich einen zügigen Schritt drauf, als wäre ich einfach nur in Eile, weiter nichts – kein Grund, mir hinterherzustarren, Leute, hier passiert nichts, was euch interessieren könnte, nur ein Typ, der etwas zu erledigen hat und sich etwas beeilen muss. Verzieht euch.
    Bei nächster Gelegenheit bog ich jedoch um eine Ecke und legte einen Zahn zu. Ich würde ja gerne behaupten, das sei eine bewusste Entscheidung gewesen, um den Abstand zwischen mir und der Frau zu vergrößern, bevor sie mein Verschwinden bemerkte. Doch es war keine wirkliche Entscheidung. Das passierte ganz von selbst. Ich rannte los, denn ich hatte Angst.
Richtig Angst.
Angst vor dem, was ich in Cassandras Wohnung gesehen hatte. Angst, weil ich nicht wusste, was mir bevorstand oder wo meine Frau war. Und vielleicht am meisten Angst, weil die Frau, vor der ich wegrannte, ebenfalls Angst hatte. Wenn derjenige, der mehr weiß als man selbst, vor Panik auszuflippen scheint, dann hat man im Prinzip erst recht Grund zur Panik.
    Irgendwann musste ich stehen bleiben. Ich taumelte und schnappte nach Luft, während ich mich auf der Straße umschaute. Ich war ungefähr zehn Minuten lang zwischen den Häuserblocks hin und her, vor- und zurückgelaufen, ohne die Frau irgendwo zu Fuß oder in ihrem Pick-up zu entdecken. Wahrscheinlich wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass jemand in meiner jämmerlichen Lage ein Hilfsangebot ausschlagen würde. Wahrscheinlich war es auch haarsträubend dämlich von mir. Egal. Von ihr wegzukommen, fühlte sich nämlich wie das erste Vernünftige an, was ich seit dem ersten Bier bei Krank’s am Vorabend – oder sogar noch viel länger zurück – unternommen hatte.
    Ich stand vornübergebeugt an einer Straßenecke da und machte eine kurze Bestandsaufnahme, während hinter mir Laster und Pkw vorbeirasten. Ich hatte mein Handy, und zwar fast voll aufgeladen – dank einem toten Mädchen –, aber daran denken wir gerade lieber nicht. Ich hatte meine Brieftasche, Kreditkarten

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