Killerspiel
Denken davon erfüllt war.
Dasselbe galt für alle anderen, die ich kannte – außer dieser Irren, der ich gerade entkommen war. Die einzigen
Modifizierungen,
die bis jetzt tatsächlich stattgefunden hatten, waren die in meinem Kopf. Alle um mich herum hatten von diesem Bill-Moore-Erlebnis nichts mitbekommen – so wie man vom Leben der anderen, von außen betrachtet, für gewöhnlich nun mal nichts mitbekommt –, bis irgendeine Krise alles ans Licht bringt; bis man zugeben muss, dass hier etwas derart Unplanmäßiges abläuft, dass man es nicht mehr hinter einem breiten Lächeln kaschieren kann.
Mein Handy klingelte.
Ich kannte die Nummer nicht, hoffte jedoch wider alle Vernunft, dass es Steph war, die von irgendeinem unbekannten Ort aus anrief, als hätte ich mit meiner Einsicht, dass es die beste Strategie sei, weiterzumachen wie bisher, meine sämtlichen Lebensbereiche neu geordnet und in die Normalität zurückgezwungen.
»Oh Gott, das war dämlich«, sagte jedoch eine andere Frauenstimme. »Für so viel Dummheit hätten Sie einen Preis verdient. Wieso in aller Welt sind Sie abgehauen?«
Es überraschte mich nicht, dass die Unbekannte meine Nummer hatte. »Schien mir eine gute Idee zu sein«, sagte ich. »Das scheint es, ehrlich gesagt, immer noch.«
»Und wieso?«
»Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind«, entgegnete ich und hielt nach ihr Ausschau für den Fall, dass dieser Anruf nur als Ablenkungsmanöver diente, während sie sich unbemerkt anschlich. »Oder was Sie getan haben, oder ob das, was Sie mir erzählen, die Wahrheit ist.«
»Wieso sollte ich Sie belügen?«
»Das ist es ja«, brüllte ich, »nicht mal
die
Frage kann ich beantworten. Aber auf der Grundlage ist es schwer, irgendetwas, das Sie sagen, richtig einzuschätzen.«
Es folgte eine Pause. »Das leuchtet ein«, antwortete sie. »Aber Sie werden schon noch dahinterkommen, dass ich Ihre beste und einzige Hoffnung bin. Wenn Sie so weit sind, dann rufen Sie mich an. Ich kann nicht garantieren, dass ich rangehe. Aber vielleicht tu ich es ja, man weiß nie.«
Die Verbindung war tot. Ich beschloss, mich augenblicklich dem zweiten Punkt auf meiner kurzen To-do-Liste zuzuwenden, die ich aufgestellt hatte, als ich im Burger King saß.
Ich wählte die Nummer von Deputy Hallam. Die Mailbox schaltete sich ein. Mit zitternden Händen beendete ich den Anruf, als mir klarwurde, dass ich drauf und dran gewesen war, ihm mein Herz auszuschütten – ihm von Steph, Cassandra und der ganzen Geschichte zu erzählen.
Eine gute oder schlechte Idee? Keine Ahnung. Jedenfalls konnte ich es ihm nicht auf die Mailbox sprechen.
Ich rief noch einmal an und hinterließ die Nachricht, ich würde gerne so schnell wie möglich mit ihm reden, am besten
sofort.
Dann überquerte ich die Straße und lief auf dem Highway zur DeSoto Square Mall.
30
N atürlich erschien es naheliegend, heimzufahren. Was mich davon abhielt, war der Gedanke, dass Hallam vielleicht deshalb nicht an sein Diensttelefon ging, weil er derzeit mit einem riesigen Schmetterlingsnetz in einem Streifenwagen vor meinem Haus wartete. Ich wollte ja mit dem Kerl reden, aber zu meinen Bedingungen. Ich wollte einfach nur nicht vom Rücksitz eines Polizeiautos nach vorne brüllen müssen, nachdem man mich gewaltsam dorthin verfrachtet hatte, wie man es in tausend Krimiserien sieht, wo sie einem den Kopf auf die Brust drücken, was gar nicht cool aussieht.
Ich dachte daran, die Nachbarn anzurufen – zumindest bei den Jorgenssons musste jemand zu Hause sein – und zu fragen, ob ein Streifenwagen vor unserem Haus stand oder ob sie Steph gesehen hatten, doch diese Idee war mit meinem Plan, mein Leben nach dem Motto
business as usual
in Gang zu halten, beim besten Willen nicht in Einklang zu bringen.
Als ich durch die kühlen, ruhigen Gänge der DeSoto Square Mall eilte und nach einem Herrenmodengeschäft Ausschau hielt, ging mir eine Frage wie ein Störsignal einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Jemand hatte Cass getötet, während ich schlief, sie dann mitgenommen, und zurückgeblieben war nichts als Blut.
Was für ein Mensch tat so etwas?
Immer noch blitzten vor meinem inneren Auge unentwegt Momentaufnahmen auf, in denen Cass mit aufmüpfiger Miene hinter der Theke der Eisdiele stand oder zu mir aufsah und nichts dagegen hatte, dass ich ihr zu weit vorgerückter Stunde ins Dekolleté ihres Spitzentops geblickt hatte. Ich weiß nicht, warum dem so war. Vielleicht, damit ich dabei half, die Bilder
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