Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
Vom Netzwerk:
in eine bessere Ordnung zu bringen und, wenn möglich, die Erlebnisse danach ungeschehen zu machen. Es gelang mir nicht – schon deshalb, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, mich zu sorgen, wo Steph war, und verzweifelt zu hoffen, dass ihr nichts zugestoßen war.
    Ich fand die Filiale von Eddie Bauer und trat ein. Außer mir war keine Kundschaft im Geschäft, und Verkäufer beiderlei Geschlechts kamen in einer Zangenbewegung auf mich zu. Zweifellos sah ich wie ein menschliches Wrack aus und roch, als hätte ich in billigem Wein gebadet, doch nachdem klar war, dass ich über eine Kreditkarte verfügte und entschlossen war, davon Gebrauch zu machen, taten beide so, als bemerkten sie es nicht. Sechs Minuten später hatte ich ein Ersatz-Outfit – ein klassisches, seriöses Ensemble, in dem ich mich bei der Arbeit blicken lassen und so tun konnte, als sei alles in Ordnung.
    Ich stand da und ließ das belanglose Geplapper des männlichen Verkäufers über mich ergehen, während er meine Sachen eintütete und das Mädchen die Preise in die Kasse tippte.
    Jemand hat sie getötet. Hat sie getötet, mich nicht.
    »Verzeihung?«
    »Was?«
    Der Verkäufer sah mich misstrauisch an. »Ich dachte, Sie hätten etwas gesagt, Sir.«
    »Nein«, erwiderte ich. Er hatte nur gehört, wie ich unkontrolliert nach Luft schnappte, hatte gesehen, wie ich vor dem nächsten Ansturm der Bilder in meinem Kopf – und der plötzlichen Erkenntnis, dass auch
ich
jetzt tot sein könnte – zusammenzuckte. Irgendwie war mir der Gedanke bis jetzt nicht gekommen. Ich hatte schlafend – na schön, bewusstlos – auf dem Boden gelegen, so weggetreten, dass ich nicht gehört hatte, was passiert war. Die hätten mir den Kopf absägen können, und ich hätte es erst gemerkt, wenn ich zehn Minuten später im Himmel angekommen wäre.
    Ich könnte jetzt tot sein. Wieso war ich es also nicht? Wieso hatte jemand Cass ermordet und mich nicht?
    Das Mädchen an der Kasse gab ein irritiertes Tststs von sich, ohne den Blick vom Monitor zu wenden. »Das System ist heute Morgen wirklich langsam«, sagte sie und hielt meine Amex hoch. »Ich versuch’s an der Kasse da drüben.«
    »Ich bin ziemlich in Eile«, sagte ich.
    »Das tut mir leid, Mr. Moore. Wir haben das gleich.«
    Ich wartete, versuchte, ruhig zu atmen und völlig normal zu erscheinen. Der männliche Verkäufer war damit fertig, meine Kleider überflüssigerweise in Seidenpapier einzuschlagen, und stand dann ebenfalls abwartend da. Es gab niemanden sonst im Laden, den er bedienen konnte, und er fand es wohl unangemessen, mich stehen zu lassen, bevor der Einkauf ganz abgeschlossen war. Wir hatten uns nichts zu sagen und standen wie zwei stumpfsinnige Roboter da, die auf Befehle von weiter oben warteten.
    Vor dem Laden schoben Frauen ihre Babys in Buggys über den Marmorgang, während sie nach etwas zu kaufen oder zu trinken Ausschau hielten, nicht geneigt, das angenehm klimatisierte Gebäude zu verlassen und sich ihrem Mutterdasein an einem weiteren monotonen Freitagmorgen zu stellen. Ein junger Schwarzer schlenderte mit einem Wischmopp vorbei.
    Die Zeit verging und stand plötzlich still.
    Ich hätte es früher kapieren müssen. Ich hätte wissen müssen, dass das Kartenlesesystem, wenn es langsam ist, überall langsam ist, im gesamten Laden. Es machte also keinen Unterschied, sie an der Kasse einen Meter weiter durchzuschieben. Und hatte die Verkäuferin meinen Namen nur erwähnt, weil sie in ihrem Job versiert war oder weil er mit der Meldung aufgeleuchtet war: »Diese Person im Laden festhalten«?
    Auf dem Parkplatz draußen hielt ein Streifenwagen. Ich war nicht sicher, was gerade vor sich ging, bis ich mich wieder zu der Verkäuferin umsah. Sie wirkte selbstgefällig und korrekt; zuversichtlich, dass die Welt sich nie gegen sie wenden würde, dass sie bei Vorkommnissen wie diesem hier immer nur Zuschauerin und nie Verdächtige sein würde. Genau wie ich bis vor kurzem.
    »Geben Sie mir meine Karte.«
    »Ich bin angewiesen, sie zu behalten. Sir.«
    Es lohnte sich nicht, darum zu kämpfen. Ich rannte aus dem Laden und schlug einen Haken nach rechts. Nachdem ich hier über die Jahre viel Zeit totgeschlagen hatte, während Stephanie den Banana-Republic-Laden auf den Kopf stellte, wusste ich, dass die Mall über vier Ausgänge verfügte, die sich in regelmäßigen Abständen über den Circle verteilten. Hatten die Cops mehr als einen Wagen geschickt, um jemanden festzunehmen, dessen

Weitere Kostenlose Bücher