Killerspiel
Kreditkarte gekennzeichnet war? Keine Ahnung.
Nachdem ich etwa halb um die Mall gelaufen war, rutschte ich auf dem frisch gewischten Boden aus und raste in einen Broschürenstand, der den Verkauf von Verizon-Telefonverträgen fördern sollte. Der Mann am Kiosk hatte schnelle Reflexe und verpasste mir eine Ohrfeige, doch ich kämpfte mich weiter durch, mit dröhnendem Kopf.
Die Passanten betrachteten mich mit mäßigem Interesse, als ob ich ein ausgefallenes Auto auf der Straße oder das ungezogene Kind anderer Leute wäre. Oder ein unerwarteter Regenguss.
Ich stürzte aus der rückwärtigen Tür auf den Parkplatz und stellte fest, dass hier kein Streifenwagen stand. Also rannte ich weiter, diesmal so schnell ich konnte und ohne mich darum zu scheren, wie es aussah. Ich hetzte quer über den heißen Asphalt, im Zickzackkurs zwischen Autos und blitzenden Windschutzscheiben hindurch.
Ich hatte keine Ahnung, wohin ich lief. Manchmal ist das egal.
Man rennt einfach nur weg.
31
D as Schlimmste an der ganzen Sache war, dass Barclay es gleich gewusst hatte, schon als er dem Typen zum ersten Mal begegnet war. Auch wenn er nicht geahnt hatte, welches Ausmaß die Sache annehmen würde, war ihm immer klar gewesen, dass Warner am Schaltpult eines Expresszugs für schlechte Nachrichten stand und früher oder später in den Bahnhof einrollen würde. Man mochte es auf den Spürsinn des Cops schieben – er war seit drei Jahren Deputy gewesen, als Warner wieder in die Stadt zurückkehrte –, aber er glaubte nicht, dass es sich damit so kompliziert verhielt. Es hatte etwas mit dem Urinstinkt zu tun, den Beutetiere haben, um inmitten von Raubtieren zu überleben. Bei ihm waren sämtliche Signallampen rot aufgeleuchtet und alle Sirenen losgeschrillt, übertragen auf einer lautlosen, unsichtbaren Wellenlänge.
Die Nachricht lautete:
Mit diesem Mann stimmt etwas nicht.
Und so war es auch, obwohl die anderen es nie gesehen hatten. Das heißt, sie sahen es schon – vor allem Hazel hatte diesbezüglich bereits vor langer Zeit ein paarmal eine Bemerkung fallengelassen –, aber sie achteten nicht darauf. Sie wussten zwar, dass er anders war als sie, hatten jedoch keinen blassen Schimmer, welch ein Abgrund sie trennte. Auch Barclay war das nicht bewusst gewesen – bis er am späten Vormittag den Anruf von dem Typen des KTU bekam.
Er hatte gerade mit einer Zigarette vor dem Haus gestanden und überlegt, was er machen und womit er nach außen in Erscheinung treten wollte, um das offenkundige Verschwinden eines der reichsten Männer auf Longboat Key aufzuklären. Nachdem die Kollegen der Spurensicherung nichts weiter als diesen einen Blutfleck gefunden hatten, wollten sie gerade einen Abgang machen. Der leitende Techniker sagte, die Spur deute auf eine größere Menge Blut hin, die unfachmännisch entfernt worden sei, und spreche somit für Fremdverschulden, mehr aber auch nicht. Theoretisch könne es sein, dass sich jemand beim Abschneiden einer Limonenscheibe für seinen Drink in den Finger geschnitten habe. Doch Barclay war sicher, dass es auf mehr als das hinauslief, weshalb er so lange die Stellung gehalten und darauf bestanden hatte, jeden verfügbaren Techniker und außerdem die voll ausgestattete Spusi-Karre da draußen zu bekommen. Doch bis jetzt hatten sie noch nichts, was auch nur annähernd als Beweis durchginge.
Doch dann war einer der jüngeren Techniker durch die Schiebetür herausgekommen. »Ähm, Sheriff?«, sagte er, und Barclay fiel auf, dass der bis dahin etwas großspurige junge Mann –
Seht her, ich und mein technisches Equipment –
betreten wirkte. Er griff sich an den Kopf und strich das dunkelblonde Haar zurück. »Wir haben etwas gefunden. Es ist, ähm, keine Ahnung … schätze, Sie sehen sich das lieber selbst an.«
Barclay ließ seine Zigarette auf die Veranda fallen und dachte:
Also doch.
Er folgte dem Techniker durchs Wohnzimmer. Er war nicht zum ersten Mal in diesem Haus, auch wenn der Kollege das nicht erfahren würde. Es war eine Vergünstigung, die Barclay sich damit verdient hatte, seinen Job zu tun. Nicht seinen eigentlichen Job, sondern seine
andere
Tätigkeit, die Rolle, die er seit fünfundzwanzig Jahren spielte. Seit Phil Wilkins tot war, hatte der Elan der Gruppe deutlich nachgelassen – nicht zuletzt, weil alle älter wurden. Das Leben erscheint einem plötzlich kompliziert genug, auch ohne dass man gegen die Grundregeln verstößt. Außer Warner. Er würde es nie
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