Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
wissen.
»Abgesehen von einem Mord und einem schwer verletzten Kollegen geht es mir gut«, versuchte der Hauptkommissar den auf ihm lastenden Druck hinter einem scherzhaften Ton zu verbergen. Was ihm aber bei dieser Frau nicht gelingen würde, wie er wusste. Daher berichtete er kurz, was ihm seine Laune so gründlich verdorben hatte.
»Mein Gott, der Arme.« Mariannes Mitgefühl galt Vondermatten. »Das ist ja schrecklich. Kann ich dir oder deinem Kollegen irgendwie helfen?«
Wiegele war schon versucht, seinen Lebensmenschen zu bitten, sich der armen Erika Vondermatten anzunehmen, die sich nach letzen Meldungen in einem psychisch bedenklichen Zustand befand. Er unterließ aber einen entsprechenden Hinweis, denn damit hätten sich wahrscheinlich neue Probleme für sie beide ergeben. Ohne dass damit der liebevoll von ihrer Familie betreuten werdenden Mutter wirklich geholfen hätte werden können.
»Das ist sehr lieb von dir«, anerkannte er, »aber ich weiß wirklich nicht, wie du im Moment helfen könntest. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, falls dein Angebot dann noch gilt.«
»Natürlich, mein Lieber, das ist doch selbstverständlich. Aber wie steht es mit dir?«
»Ach es geht«, spielte er seine Stimmung herunter, »da ist nichts, was sich nicht heute Abend bei einem guten Essen beheben lassen würde.« Und tatsächlich, beim Gedanken, Marianne zu sehen, ging es ihm gleich viel besser.
Ihr kurzes Zögern ließ ihn aber instinktiv erkennen, dass es heute wohl bei der Vorfreude bleiben würde.
»Es tut mir wahnsinnig leid«, flüsterte sie, »aber ich fürchte, das mit dem Abendessen wird heute nichts werden. Professor Badinger« – das war Mariannes Institutsvorstand an der Uni, wo sie als Dozentin wirkte – »ist ab Sonntag drei Wochen im Ausland und ich soll in dieser Zeit einige Aufgaben von ihm übernehmen. Das will er heute Abend mit mir besprechen.« Sie seufzte. »Wenn ich da nicht hingehe, kann ich meine weitere Karriere am Institut wohl vergessen.«
»Na, das ist doch klar.« Wiegeles Versuch, unbeschwert Verständnis vorzutäuschen, ging gründlich daneben. »Aber warum kannst du Badinger nicht morgen oder am Samstag treffen?«
»Guido scheint wieder einmal ein Problem mit Tina zu haben«, begann Marianne und ihm schwante Böses angesichts der Einleitung. »Diesmal scheint es aber wirklich schlimm zu sein, so wie er sich gestern am Telefon angehört hat. Ich habe daher zugesagt, dass ich die beiden in Wien besuche, um zu retten, was noch zu retten ist. Ich fahre morgen Nachmittag mit dem Zug.«
Wiegele hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Heißt das, dass wir uns am Wochenende auch nicht sehen können?«
»Nicht unbedingt«, sie kicherte neckisch, »ich habe gehofft, dich überreden zu können, mit nach Wien zu kommen.«
Der Hauptkommissar schluckte schwer. »Gestern um diese Zeit hätte ich noch voller Freude zugestimmt. Aber seither hat sich einiges ereignet. So leid es mir tut, ich kann nicht wegfahren, solange Just im Krankenhaus mit dem Tod ringt.«
Das war bei allem Ernst der Lage doch etwas sehr dramatisch formuliert, musste Wiegele sich selbst eingestehen. Wahrscheinlich war es eine Art Trotz, die ihn die Situation, die ohnehin schon übel genug war, so übertrieben hatte darstellen lassen.
Marianne hatte das natürlich auch durchschaut, ging aber nicht darauf ein. »Das verstehe ich«, versicherte sie vielmehr, »aber vielleicht geht es ihm ja morgen schon besser. Und du kannst jederzeit nachkommen. Ich wohne bis Montag früh im Hotel ›Wild‹ in der Salmannsdorfer Straße.«
Wien, Wien nur du allein …, dachte Wiegele. So ein, zwei Tage Kurzurlaub wären genau das Richtige. Übrigens Wien, das war das Stichwort.
Wien war das letzte Teil, das dem Hauptkommissar gefehlt hatte, um das unentwegt durch seinen Kopf geisternde Rätsel darüber zu lösen, wo er das mit dem Laserpointer und dem Eisblock im Badezimmer des ›Selbstmörders‹ gelesen hatte.
Fieberhaft durchsuchte er seinen Schreibtisch. Das Gesuchte, ein etwa 250 Blatt starkes Manuskript, fand sich schließlich im untersten Einschub links unter mehreren Exemplaren einer von ihm abonnierten Autozeitschrift.
›Spiele im Schatten‹ stand auf dem obersten Blatt des Stapels, den Wiegele jetzt rasch durchblätterte. Schon bald fand er das Gesuchte.
Konzentriert studierte er einige Seiten des Konvoluts, übersprang dann zahlreiche Seiten, um einigen anderen wieder seine volle Konzentration zu widmen. Nach
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