Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
das weißt du ohnehin. Also nimm Platz und sprich.«
Nach dieser eher urigen Eröffnung benahmen sich die beiden, ja, man konnte sie ruhigen Gewissens als Freunde bezeichnen, völlig normal. Zumindest für ihre Verhältnisse.
»Juri, ich möchte dich zu diesem Essen einladen«, begann Palinski, »und ich möchte ein Glas Wein mit dir trinken. Wie denkst du darüber?«
»Eine wunderbare Idee. Ich nehme den offenen Soave, der ist sehr ordentlich.« Das Schöne an Malatschew war, dass er sich in solchen Situationen nicht lange zierte, sondern gleich bestellte. Und immer nur das Beste aus Küche und Keller.
Sonja, die langjährige Seniorserviererin im ›Kaiser‹ pirschte sich ebenfalls vorsichtig heran. Sie wusste aus eigener Erfahrung, was jetzt kommen würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein schlichtes Suppenessen in ein stundenlanges Gelage mit einer Rechnung in einem ansprechenden dreistelligen Eurobereich mündete. Ihr konnte das nur recht sein.
»Das Menü storniere ich«, kündigte Juri, der bereits bestellt hatte, an. »Stattdessen nehme ich einmal das geräucherte Filet der Lachsforelle, dann den Tafelspitz mit Röstern und Schnittlauchsauce. Über Dessert und Käse entscheiden wir später. Und was nimmst du, Mario?«
Das würde ein harter Nachmittag werden, schoss es Palinski durch den Kopf. Blitzartig überschlug er seine Barschaft, aber egal. Unter diesen Umständen würde er sicher Kredit bei Sonja bekommen.
»Ich schließe mich an. Und dazu einen Liter Soave sowie eine große Flasche Mineralwasser«, nickte er Sonja zu. »Und ein paar von diesen köstlichen Weckerln und etwas Butter bitte.«
»Nehmen Sie noch eine Suppe vorher?«, wollte die Perle des ›Kaiser‹ wissen, die nichts auslassen und offenbar einen neuen Rechnungsbetrags-Lokalrekord anpeilen wollte. Doch Palinski winkte zu ihrer Enttäuschung ab.
Dann schwiegen sich die beiden Freunde einige Zeit nur an, delektierten sich an den köstlichen Forellen aus dem niederösterreichischen Voralpengebiet und schwiegen weiter. Es war die reinste Kraftprobe, die Palinski schließlich verlor.
»Sag einmal, Juri, du hast doch das Manuskript, das ich dir vor mehreren Wochen gegeben habe, auch gelesen«, tastete er sich vorsichtig vor.
»Du meinst ›Spiele im Schatten‹, diese hübsche Geschichte um Morde, die in Wirklichkeit so nie durchgeführt werden könnten, wie du sie dargestellt hast?« Malatschew hatte eine Art, Ambivalenz zum Ausdruck zu bringen, die verwirrte.
»Du meinst also, dass die von mir beschriebenen Methoden, jemanden umzubringen, in der Praxis nicht funktionieren würden«, fasste Palinski noch einmal zusammen, um sicherzugehen, dass er richtig verstanden hatte.
»Das ist meine Meinung. Macht aber nichts, das ist eine hübsche Geschichte, wird den Lesern gut gefallen. Du hast einen guten Stil und ein Gespür für hintergründige Spannung.«
»Dann erkläre mir doch einmal, warum die beiden Morde in einer süddeutschen Stadt möglicherweise exakt so stattgefunden haben, wie ich das in meiner hübschen Geschichte«, die beiden letzten Worte betonte Palinski besonders, »beschrieben habe.«
Diese Eröffnung überraschte sogar den abgebrühten alten Russen. Er ließ die bereits auf dem Weg zum Mund befindliche Gabel mit einem wunderbar saftigen, in die herrlich sämige Schnittlauchsauce getauchten Stück Rindfleisch wieder sinken.
»Du willst mir allen Ernstes erzählen, dass jemand mit einem als Vortragswerkzeug getarnten Laser einen tödlichen Unfall herbeigeführt hat?«, zweifelte er.
»Ja. Bloß, dass das Opfer erfreulicherweise überlebt hat. Wahrscheinlich wird der Mann aber mit dem linken Auge nichts mehr sehen können.« Der Ernst in Palinskis Stimme verriet ihm, dass das kein makabrer Spaß war.
»Und sie haben tatsächlich ein weiteres Opfer auf einen Tisch aus Eis gestellt? Und gewartet, bis das Eis schmilzt, damit sich die Schlinge um den Hals zuzieht?«
»Das ist wahrscheinlich so gewesen«, bestätigte Mario, »auch wenn das Wasser natürlich längst abgeflossen war, als der Mann gefunden wurde. Nicht einmal mehr nasse Flecken waren zu sehen.«
»Was es nicht alles gibt«, wunderte sich Juri. »Da wird man so alt und glaubt schon alles zu kennen. Und dann das. Aber wieso macht jemand so etwas Idiotisches?«
Palinski fand es bemerkenswert, dass der Russe nicht entsetzt war über diese schreckliche Tat. Oder bestürzt, dass es so schlechte Menschen gab. Nein, was ihn bewegte, war, dass jemand so
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