Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
Antwort durchringen, als sich eine monotone Stimme über den Lautsprecher meldete.
»Achtung, attention please, attenzione, meine Damen und Herren, ladies and gentlemen, signore e signori. Ein Code 1214 ist eingetreten. Bitte verlassen Sie unverzüglich das Gebäude und das Gelände und nützen Sie die Zeit für individuelle Ausflüge in die schöne Umgebung. Wir gehen davon aus, dass der Alarm in drei Stunden wieder beendet werden kann. Bitte merken Sie sich das Codewort ›Rheinfall‹ für telefonische Rückfragen an die bekannte Notfallnummer. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.«
Während die Stimme die Durchsage noch in mehreren Sprachen wiederholte, verließen die Anwesenden rasch, aber ruhig den Raum, das Hotel, den Ort und verloren sich in der Landschaft.
Code 1214 war nichts anderes als die Warnung vor einem wahrscheinlich bevorstehenden Besuch der Polizei. Etwas, mit dem die Anwesenden tagtäglich rechnen mussten und das sie daher im Gegensatz zu Normalsterblichen nicht sonderlich aus der Ruhe brachte.
Zehn Minuten nach der ersten Durchsage waren sämtliche der fast 120 Gäste des Hotels und des Gästehauses ›Veronika‹ sowie die rund 20 Mann ›Personal‹ verschwunden. Lediglich ein kleines, unverdächtiges, aber erprobtes Empfangskomitee war geblieben, um den unerwünschten Besuchern Sand in die Augen zu streuen.
* * *
Kurz vor Beuren erhielt Wiegele einen Anruf von Dr. Bittner. Der Anwalt teilte dem Hauptkommissar mit, dass sich Francesca Doppoli soeben telefonisch aus Tarent bei ihm gemeldet habe. Sie hatte vom Tod ihres Chefs gehört und wollte noch heute Abend den Nachtzug von Reggio di Calabria nach Rom nehmen. Ab Montagmorgen könne sie für Befragungen zur Verfügung stehen.
»Warum hat sie sich eigentlich bei Ihnen und nicht bei, ich weiß nicht, halt bei jemand anderem gemeldet?«, wollte Wiegele wissen.
Der Anwalt zögerte einige Sekunden mit der Antwort. »Frau Doppoli weiß, dass Walter Webernitz, hchn, hchn …«, seinen Husten war er immer noch nicht los, »… mit mir befreundet und auch, dass er mein Klient war. Ich weiß nicht, wen sie sonst noch hier kennt, den sie so quasi offiziell zum Tod ihres Brötchengebers befragen könnte.«
»Und Erblassers«, warf Wiegele ein. »Ja, so wird es wohl sein. Danke, dass Sie uns gleich informiert haben. Ich bin übers Wochenende in Wie …, in wichtigen Angelegenheiten auswärts unterwegs.« Diese Kurve hatte der Hauptkommissar nur ganz knapp geschafft. Mariannes Vater musste wirklich nicht unbedingt wissen, dass es auch ihn nach Wien zog. »Ich setze mich dann am Montagvormittag wieder mit Ihnen in Verbindung.«
Wenige Minuten später erreichte der kleine Polizeikonvoi den Haupteingang des ›Schlosshotels Gabensberg‹ und hielt davor an. Auffallend war, dass der Parkplatz rechts von dem schmucken ehemaligen Jagdschloss bis auf zwei Fahrzeuge völlig leer war. Das sah ganz nach ›ausgeflogen‹ aus, ging es Wiegele durch den Kopf. Und das war gar kein gutes Zeichen.
»Sie beide bleiben bitte hier draußen und achten darauf, dass niemand abhaut«, wies der Hauptkommissar die beiden uniformierten Kollegen an. »Die anderen kommen mit mir.« Damit waren neben Helga Martens der über seinen derzeitigen Auftrag offenbar nicht sonderlich glückliche Oberkommissar Bellmann und sein Kollege Plischke gemeint.
Die vier betraten die kleine, reichlich mit Geweihen aller Art geschmückte Eingangshalle, die für Nichtjäger irgendwie etwas Bedrückendes an sich hatte. Im Übrigen war kein Mensch zu sehen.
Selbstbewusst trat die Martens an den kleinen Empfangstresen und klopfte zwei, drei Mal kräftig auf den darauf befindlichen Rufknopf. Kurz nachdem dieser sein etwas blechern klingendes ›Ping, Ping‹ von sich gegeben hatte, erschien ein würdevoll wirkender älterer Herr und erkundigte sich in gebrochenem Deutsch nach den Wünschen.
Wiegele hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase. Dazu sagte er, um jeden Irrtum auszuschließen, auch noch »Kriminalpolizei, Hauptkommissar Wiegele« und stellte auch die Kollegen vor.
»Giorgio Gargarello, mi piace. Wie gann icke elfen?«, wollte der überhaupt nicht überrascht, auch nicht wie der Portier, sondern eher wie der Hoteldirektor wirkende Mann wissen. »Aben Sie vielleigt Durste?«
An und für sich liebte Wiegele ja Spielchen, auch solche dieser Art. Aber jetzt waren weder Zeit noch Anlass dafür und nur der Gedanke daran, dass Vondermatten wieder bei Bewusstsein war, ließ sein
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