Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
diese Tage als Höhepunkt und Ende der so genannten Kubakrise eingegangen. Die Welt ist damals knapp an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt. Chruschtschow hat am 28. etwas überraschend eingelenkt.« Don Vitos Grinsen wurde wieder breiter.
»Es gibt aber auch eine inoffizielle Erklärung dafür, warum die UdSSR zurückgesteckt hat. Es wird gemunkelt, dass die Führungsspitze des KGB und die meisten der wichtigen Mitarbeiter wegen einer Salmonellenvergiftung nicht in der Lage waren, die eingehenden Informationen zu analysieren und zu interpretieren. Da soll Chruschtschow angeblich keine andere Wahl geblieben sein als nachzugeben.«
Jetzt musste auch Palinski lachen. »Das würde ja bedeuten, dass Juri mit seinen Hendln den Weltfrieden gerettet hat.«
»Ja, das kann man sagen. Das hat ihm auch den Spitznamen ›Hähnchen-Kusnezow‹ eingebracht.«
Seine Vorgesetzten im KGB und das Politbüro hatten Juris Beitrag zum Weltfrieden natürlich etwas anders gesehen und ihn in die Außenstelle nach Wladiwostok strafversetzt. Dort hatte Major Kusnezow den Namen Malatschew angenommen, und seine Hendlnummer war langsam in Vergessenheit geraten. Später war er dann als Verbindungsoffizier zur Stasi nach Berlin versetzt worden. »Aber die Salmonellengeschichte hat ihn ohne Zweifel den General gekostet«, war Don Vito sicher. »Mehr als Oberst war nicht mehr für ihn drin.«
Dieser Juri, dachte Palinski, wer hätte das von dem alten Russen gedacht. Aber so interessant dieser Exkurs in die Weltgeschichte auch gewesen war, Antworten auf seine Fragen hatte er keine bekommen.
»Du wolltest also wissen, warum ich mit dir sprechen möchte.« Don Vito war jetzt plötzlich auf das vertrauliche Du umgestiegen und kam wieder zur Sache. »Seit unserer ersten Begegnung vor fast 20 Jahren habe ich dich regelmäßig beobachtet. Ich weiß von deinen Kindern, dass du deine Frau trotz allem, was sie mit dir durchgemacht hat, noch immer nicht geheiratet hast.« Er griff nach dem vor ihm stehenden Weinglas und nahm einen Schluck. »Ich habe mitbekommen, wie du arbeitslos gewesen bist und wie du dich schrittweise selbst wieder aus dem Schlamassel geholt hast. Wie dieser Baron, der sich selbst am Zopf aus dem Sumpf gezogen hat. Beeindruckend, sagt auch Dr. Metzler.«
Das war wieder ein Name aus Palinskis jüngerer Vergangenheit, dessen Nennung durch Don Vito ihn verwirrte. »Meinen Sie Dr. Metzler, den Geschäftsführer der ›Global Film‹ in Frankfurt?«
»Genau den«, der alte Mann nickte. »Er ist mir für meine seinerzeitige Empfehlung heute noch dankbar. Du hast bisher offenbar sehr gute Arbeit für ihn geleistet.«
Palinski beschloss, sich über gar nichts mehr zu wundern. In seinem Kopf nahm der alte Mafioso immer mehr die Gestalt einer riesigen Krake an, die auch in ihrem weiteren Lebensbereich alles und jeden einfing und kontrollierte. Oder die einer riesigen Spinne, deren Netz allgegenwärtig war.
»Unser aus vielen Organisationen bestehendes Netzwerk spannt sich um die ganze Welt«, fuhr der große Mann fort. »Jede einzelne dieser Organistionen stellt ein gut funktionierendes Gebilde dar, das nach ganz bestimmten, strengen Regeln funktioniert.« Don Vito nippte neuerlich an seinem Glas. »Willst du nicht auch einen Schluck trinken?« Ohne Palinskis Antwort abzuwarten, gab er einem seiner Männer ein Zeichen, dem Wiener einzuschenken.
»Wir kümmern uns um unsere Kinder, um die Alten und um die Kranken. Und natürlich auch um die, die uns bescheißen wollen. Sowohl um jene aus den eigenen Reihen als auch um Fremde. Im Grunde genommen funktionieren wir wie eine Gemeinde, eine Stadt oder auch ein Staat.« Er kratzte sich heftig hinter dem linken Ohr. »Wir pflegen Beziehungen zu den anderen Organisationen und unterwerfen uns in der Regel dem Schiedsspruch einer Art globalen Komitees, das Streitigkeiten regelt und ausgleichend wirkt. So ähnlich wie die UNO, meistens nur wirkungsvoller. Und manchmal führen wir auch Krieg.«
»Aber genau das ist doch der springende Punkt«, warf Palinski ein, dem das pseudosoziale Geschwafel um die ach so netten, missverstandenen Verbrecher langsam aber sicher die Innereien umdrehte. »Der Staat hat innerhalb seiner Grenzen nun einmal als e inziger das Gewaltmonopol, ebenso wie die UNO auf globaler Ebene. Wenn das nicht zumindest prinzipiell akzeptiert wird, ist jedes Zusammenleben zum Scheitern verurteilt, Chaos nicht zu verhindern.«
»Das mag in der Theorie schon stimmen«, räumte der Don ein.
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