Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
schon protestieren, ließ es dann aber bleiben. Er hatte keine Chance gegen diesen freundlichen Despoten. Zumindest heute Abend nicht.
Und so geschah es, dass Mario Palinski sich als Luciano Pavarotti ausstaffieren ließ und dann plötzlich, mit dem unvermeidlichen weißen Tuch in der Hand, auf der Bühne stand. Als er sich gleich darauf das erste Mal den Schweiß von der Stirn tupfte, wusste jeder im Publikum, wen er glauben sollte, da vor sich zu haben.
Leise und doch kraftvoll setzte jetzt die Musik ein und Palinski versuchte, sich an die Worte des Textes zu erinnern. Was völlig überflüssig war, weil von ihm nur erwartet wurde, die Lippen zu bewegen.
Na, die würden sich in ihm aber ganz schön täuschen, frohlockte er insgeheim und begann, laut in das nicht angeschlossene Mikrofon zu singen, oder besser: zu brüllen. Dennoch hörte ihn niemand, zumindest hörte ihm keiner zu.
Je länger das Schauspiel andauerte, desto mehr genoss Palinski das Spektakel. Und als dann das berühmte ›vincero, vincero‹ dieses wundersame Tun beendete, war er etwas verwirrt und fast so glücklich, wie er sich das in seinen Fantasien vorgestellt hatte.
Aber eben nur fast. Don Vito hatte schon recht gehabt mit seiner Vermutung. Nur mit dem Unterschied, dass beide Effekte eingetreten waren. Sein Traum hatte sich erfüllt, und er war diese wirklich unsinnige Vorstellung jetzt endgültig losgeworden.
Aber das war nicht das Einzige, das er nach diesem Tag in Taormina losgeworden war.
9
Dienstag, 29. Oktober
Josefa Bütterli, die sich im ›Chez Nous‹ in Schaffhausen Tamara Salud nannte, saß Hauptkommissar Wiegele und Helga Martens gegenüber. Die junge, bei ihrer Einlieferung gestern Abend noch frech herumtönende Frau, sah zum Erbarmen aus. Ihr im Hinblick auf die erwartete Junggesellenparty besonders raffiniert ausgefallenes Make-up hatte die offenbar tränenreiche Erkenntnis über ihre beschissenen Zukunftsaussichten schlecht überstanden. Sie wirkte mehr wie ein tragischer Clown als eine Tänzerin, als die sie sich selbst bezeichnete.
Josefa verzichtete auf die Hinzuziehung eines Anwalts. Sie versuchte erst gar nicht, ihre Anwesenheit in dem Auto sowie ihr provokantes, der Ablenkung des ›gegnerischen‹ Fahrers dienendes Verhalten zu bestreiten. Aber sie habe nicht gewusst, was Benedikt, so der Vorname des Mannes, der den Laser bedient hatte, in Wirklichkeit vorgehabt hatte. Er habe das Ganze zunächst als Scherz, als eine Art spielerische Rache an einem Freund, dargestellt. »Ich kann doch nichts dafür, dass der Spinner plötzlich so durchdreht, odr?«
»Das wird das Gericht zu entscheiden haben«, stellte Wiegele fest. »Aber Sie können Ihre Situation verbessern, wenn Sie uns alles erzählen, was sie über diesen Benedikt und die Tat wissen.«
Und so erzählte sie, wie sie den angeblich in Südtirol beheimateten ›Benni‹ Saliner am Abend des 22.Oktober im ›Chez Nous‹ kennen gelernt und mit ihm das Lokal verlassen hatte. Sie hatten die Nacht und den nächsten Vormittag in einem Hotel in Gottmadingen verbracht. Am frühen Nachmittag des 23. hatte Saliner einen Anruf erhalten. Daraufhin waren die beiden rasch aufgebrochen und eine Zeit lang nur so durch die Gegend gefahren. In der Zeit hatte Benni einige Telefongespräche geführt.
»Plötzlich war da der weiße Golf vor uns auf der Straße«, berichtete Josefa, »und er hat mich aufgefordert, den Mann am Steuer beim Vorbeifahren mit provokanten Gesten und Bewegungen abzulenken.« Das habe sie getan, ohne gewusst zu haben, dass Benni die Ablenkung nutzen wollte, um den Lenker des anderen Wagens in einen Unfall zu drängen.
»Nachdem der andere Wagen von der Straße abgekommen ist, war ich vor Entsetzen wie gelähmt und bin im Wagen sitzen geblieben. Benni ist ausgestiegen und hat noch in die Schlucht hinuntergesehen.« Nein, einen Schuss habe sie nicht gehört.
»Und auf die Idee, dass der verunglückte Fahrer Hilfe brauchen könnte, sind Sie nicht gekommen?«
Sie habe schon daran gedacht, aber Benni hatte nur gesagt: »Der braucht keine Hilfe.« Dann war er wieder ins Auto gestiegen und habe sie nach Singen zum Bahnhof gebracht. Sie hätte dann den Zug zurück nach Schaffhausen genommen.
»Und das ist alles, was Ihnen zu diesem Vorfall einfällt?«, mischte sich jetzt Helga Martens in die Vernehmung ein.
Josefa Bütterli nickte zunächst bejahend. Aber dann schien ihr doch noch etwas eingefallen zu sein.
»Eines vielleicht noch«, begann
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