Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
selbst in Berlin einen ausgezeichneten Klang, stand quasi für uraltes Großbürgertum im wahrsten Sinne des Wortes. Äußerst wohlhabend und kultiviert. Mit hervorragenden Beziehungen weit über die Grenzen des Landes hinaus.
Auf diese Kontakte, aber auch auf den beruhigenden finanziellen Hintergrund würde er schon grundsätzlich nur ungern verzichten. In seiner konkreten Situation würde er sich die Einwilligung zur Scheidung daher teuer abkaufen lassen.
Was nur wenige wussten, war, dass Dr. Erwin Kogler ein Zocker war. Nicht im Casino oder im privaten Spielklub, nein. Was ihn immer schon fasziniert hatte, waren die Spiele an der Börse. Während des Booms der New Economy hatte er durch geschickte Manöver, vor allem aber durch das rechtzeitige Erkennen des Zeitpunkts, an dem die gigantische Blase platzen würde, ein Vermögen verdient.
Plötzlich war es aber mit seiner Fortune vorbei gewesen. In der Folge hatte er bei der Finanzierung seiner immer panischer werdenden Aktionen immer öfter die Grenzen zwischen seinen eigenen, sonstigen privaten und den Geldern einiger Kunden missachtet. Langer Rede kurzer Sinn: Dr. Kogler war nicht nur pleite, sondern auch gewaltig verschuldet. Dazu hatte er noch eine beachtliche Summe fremder Gelder veruntreut. Falls er es nicht schaffte, innerhalb der nächsten zwei Tage mindestens 500.000 Euro auf die Beine zu stellen, würde er nicht nur seinen lukrativen Posten los werden, sondern voraussichtlich auch im Gefängnis landen.
Für seinen Schwiegervater war ein derartiger Betrag zwar auch kein Klacks, aber durchaus im Rahmen des Möglichen. Mal sehen, wieviel ihm das Glück seiner älteren Tochter wert war.
Wieder etwas optimistischer gestimmt, schenkte er sich den nächsten Drink ein.
* * *
Noch ehe der Wagen mit Don Vito und Palinski den Eingangsbereich des weltberühmten Teatro Greco in Taormina erreicht hatte, war die Nacht um sie herum bereits mit wunderbarer Musik erfüllt. Wie viele Wiener war Mario ein ausgesprochener Opernfan, vorzugsweise von Werken italienischer Komponisten. Auf dem Weg hierher hatte ihm der Don erklärt, dass die regelmäßig vor dieser grandiosen Kulisse stattfindenen Gästekonzerte ein riesiger Erfolg waren. Dabei handelte es sich um eine spezielle, technisch verfeinerte Art des Karaokesingens, das die Stimmen der sich als Placido Domingo, Anna Netrebko oder auch Robbie Williams und Britney Spears präsentierenden Amateure erheblich besser klingen ließ, als die Natur das vorgesehen hatte.
Der Jahreszeit und damit einer älteren Klientel entsprechend, stand heute klassische Musik auf dem Programm, aufgelockert durch das eine oder andere ›O sole mio‹ und ›Granada‹. Im Moment war es der Prolog aus Leoncavallos ›Bajazzo‹, der die etwa 200 in warme Decken gehüllten Zuhörer im Auditorium begeisterte.
Wie sinnig, dachte Palinski und wurde wieder an Marianne Kogler erinnert. Sollte er noch heute Abend anrufen und ihre Freilassung erwirken? Wahrscheinlich schlief sie aber ohnehin bereits. Etwas Zeit zum Überlegen musste er schon noch haben.
Am Eingang hatte sie Enrico, der völlig unschuldige und dennoch eigentliche Verursacher des aktuellen Dilemmas, erwartet und in einen Umkleideraum hinter der Bühne geführt. »Der Junge hat jetzt seine eigene Eventagentur«, berichete der stolze Nonno, »er veranstaltet diese Abende.«
»Wunderbar«, fand Palinski, »aber was hat das mit mir zu tun?«
»Ich weiß, dass du einen Traum hast, eine Vision«, begann Don Vito zu erklären. »Du stehst auf der Bühne des Teatro Greco und singst die Arie ›Nessun dorma‹ aus Puccinis ›Turandot‹. Und das abschließende ›Vincero‹ brüllst du derart hinaus, dass es dich von allen deinen Sorgen und quälenden Gedanken befreit.«
Verdammt, fuhr es Palinski durch den Kopf, woher wusste der Kerl das schon wieder? Das hatte er bei seinem allerersten Versuch zu schreiben dem geduldigen Papier anvertraut. Er konnte sich im Moment gar nicht erinnern, wem er diese seinerzeitige Egotherapie zu lesen gegeben hatte.
»Na und«, begehrte er jetzt auf, »was hat das damit zu tun?« Dabei begann er langsam, die Antwort zu erahnen.
»Und das wirst du jetzt auch machen können«, grinste Don Vito. »Entweder erfüllt sich dein Traum oder du wirst diese unsinnige Vorstellung ein für alle Mal los.« Er holte eine schwarze Perücke aus einer Schachtel. »Willst du auf Pavarotti machen oder als Original Palinski in den Ring steigen?«
Mario wollte
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