Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
Brausekopf auf ihren Rücken prasselte. Zum ersten Mal seit vielen Stunden hatte sie Gelegenheit, über all die sich überstürzenden Ereignisse nachzudenken, die mit Martin Larricks überraschendem Anruf in der vergangenen Nacht begonnen hatten.
Martin und sie waren seit ihrer Studienzeit enge Freunde, und obwohl ihr persönlicher Werdegang sie in zwei unterschiedliche Richtungen geführt hatte, hatten sie sich nie völlig aus den Augen verloren. Martin war nach Abschluss seines Medizinstudiums in die Gesundheitsbürokratie gegangen und hatte dort eine steile Karriere gemacht, während Angie zuerst Kardiologin und Herzchirurgin geworden war und sich dann auf die Entwicklung von speziell auf Herzpatienten zugeschnittene medizinische Hilfsmittel verlegt hatte.
Damit waren Martin und sie eigentlich in zwei manchmal sogar miteinander verfeindeten Lagern gelandet, aber das hatte ihrer persönlichen Freundschaft keinen Abbruch getan. Die ganz spezielle Beziehung zwischen ihnen war
nur möglich gewesen, weil sie sich gegenseitig stets respektiert und gar nicht erst versucht hatten, von dem anderen Gefälligkeiten einzufordern. Sie hatten sich regelmäßig getroffen, zusammen Abend gegessen und auch die eine oder andere Nacht miteinander verbracht. Auch das war einer der Gründe, weshalb Martins Tod Angie so tief erschütterte und sie noch mehr schmerzte als der Tod ihres Vaters vor ein paar Jahren. Sie schloss die Augen und meinte, Martins muskulöse Arme zu spüren, mit denen er sie an sich drückte, während er ihr mit seiner tiefen, texanischen Stimme ins Ohr flüsterte: »Ruh dich aus, mein Täubchen, und vergiss den ganzen Wahnsinn da draußen.«
Martin hatte mit seiner ruhigen Art stets einen besänftigenden Einfluss auf die agile, hyperaktive Angie gehabt, und der Gedanke daran, dass sie diesen Fels in der Brandung, diesen Notanker in stürmischen Zeiten, nun für immer verloren hatte, trieb ihr heiße Tränen in die Augen.
Dabei hatte sie sich richtig gefreut, als sie gestern mitten in der Nacht am Telefon seine Stimme erkannt hatte. »Kannst du noch kurz zu mir rüberkommen?«, hatte Martin gefragt. »Ich muss mit dir über dein Herzpflaster reden.«
Angie war so erstaunt gewesen, dass sie zuerst nicht die richtigen Worte gefunden hatte.
»Wieso das denn?«, hatte sie gestammelt. »Was ist denn los?«
»Das kann ich dir nicht am Telefon erklären. Ich glaube, dass mit deinem Pflaster ziemlich üble Machenschaften am Laufen sind. Einer meiner Mitarbeiter …«
»Üble Machenschaften?«, rief Angie perplex. »Wenn du damit meinst, dass ich aufhören soll, für die Zulassung von CardioPatch zu kämpfen, dann hast du dich geschnitten.
Alle Tests waren in Ordnung, und jetzt auf einmal fängt jemand in deiner FDA an durchzudrehen. Das nenne ich üble Machenschaften.«
»Angie, beruhige dich. Du weißt, dass ich mich normalerweise nicht ins Tagesgeschäft meiner Behörde einmische, schließlich habe ich kompetente Mitarbeiter. Aber das hier ist eine Ausnahme. Jemand hat offenbar dein CardioPatch hinter deinem Rücken manipuliert und es gravierend verändert.«
»Verändert?«
»Angie, bitte, nicht am Telefon! Diese Geschichte ist so brandheiß, dass ich nicht einmal weiß, ob jemand mein Telefon angezapft hat. Willst du nicht einfach auf einen Sprung zu mir herüberkommen? Du wirst es sicher nicht bereuen. Ich erwarte einen meiner Projektleiter, der gerade bei AMT war und von dort interessante Daten mitbringt. Ich schätze, die könnten dich auch interessieren.«
»Martin, wenn jemand krumme Dinger mit meinem Herzpflaster gedreht hat, musst du die Polizei einschalten.«
»Das dürfen wir auf keinen Fall! Wenn bestimmte Kreise etwas über diese Geschichte erfahren, sind wir alle unseres Lebens nicht mehr sicher. Erst wenn ich handfeste Beweise habe, kann ich zur Polizei gehen, vorher nicht. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. In diese Geschichte sind mehr wichtige Leute verwickelt als du dir vorstellen kannst. Aber keine Sorge, die Beweise werde ich hoffentlich noch heute Nacht bekommen, und dann lasse ich die ganze Geschichte hochgehen. Hab Vertrauen und komm so schnell du kannst zu mir. Gemeinsam finden wir eine Lösung für alles.«
Mehr brauchte Angie, die gerade bei ihrer Abendgymnastik gewesen war, nicht zu hören. Sie nahm sich nicht
einmal mehr Zeit, sich umzuziehen und rannte im Jogginganzug hinunter in die Garage. Auf der Fahrt nach Georgetown schossen ihr die wildesten Gedanken durch den Kopf.
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