Killerwelle
geflüchtet.
Warum war er dann noch nicht zufrieden? Wenn er ihr Gesicht gesehen hätte, gäbe es keine Zweifel. Aber das hatte er nicht. Er konnte sie nicht eindeutig identifizieren, und damit blieb eine Frage offen – etwas, das er sowohl rein professionell als auch persönlich betrachtet absolut hasste. Natürlich gab es im Augenblick wichtigere Dinge als die Vergangenheit, weswegen er sich Sorgen machen musste.
Cabrillo hoffte gegen alle Vernunft, dass ihre birmanischen Kidnapper MacD in Ruhe lassen würden. Es war offensichtlich, dass Juan älter als Lawless war und somit die leitende Position innehatte, daher sollten sie sich eigentlich ausschließlich auf ihn konzentrieren. Er erwartete jedoch nicht ernsthaft, dass es so geschehen werde. Er hatte eine Vorstellung, aus welchem Holz Lawless geschnitzt war. Zwar war er zäh und einfallsreich, aber hatte er auch die Kraft und den Mut zu ertragen, was Juan soeben über sich hatte ergehen lassen, und nicht zu zerbrechen? Cabrillo hatte das ja nicht einmal von sich selbst gewusst, daher konnte er auch nicht die geringste Ahnung haben, ob der junge Mann es schaffen würde.
Am Ende wäre es völlig unbedeutend, ob MacD zusammenbrach oder nicht, dachte Juan. Was wusste er schon? Den Namen des Klienten. Und er kannte seinen Auftrag, seine Tochter zu suchen, die durch den birmanischen Urwald wanderte. Die Oregon? Er kannte zwar ihren Namen, hatte jedoch keine Ahnung von ihren wahren Fähigkeiten. Juans Identität? Wen, zum Teufel, interessierte das? Er hatte die CIA vor so langer Zeit verlassen, dass niemand ihn ernsthaft als Spion oder Agent betrachten würde.
Nein, dachte er, MacD könnte alles erzählen, was er wusste, und es würde nicht das Geringste ändern. Er konnte nur hoffen, dass Lawless das ebenfalls erkannte und sich unnötige Schmerzen ersparte.
Während die Erschöpfung begann, seine Schmerzen zu betäuben, und er spürte, dass er im Begriff war einzuschlafen, kam ihm der Gedanke, dass Lawless wahrscheinlich schweigen würde, um sich der Corporation als würdig zu erweisen.
Cabrillo hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war – als er auf dem Tisch nach dem Wasserboarden zu sich gekommen war, hatte seine Armbanduhr gefehlt –, nachdem er aus dem Schlaf hochschreckte. Er war in Schweiß gebadet, sein Atem ging keuchend.
»Verdammt noch mal«, fluchte er laut.
Es war ihm während des Schlafs erschienen – eine deutliche Vision, wie John Smith gezielt auf das Seil geschossen hatte. Er hatte es mit voller Absicht unter Feuer genommen. Die Wut brachte Juans Blut fast zum Kochen. Er widerstand dem traditionell männlichen Drang, seine Wut an irgendetwas auszulassen, gewöhnlich an einer Wand. Er war wütend genug, sich jeden Knochen in seiner Hand zu brechen, wenn er sich gehen ließ.
Smith hatte sie getäuscht. Nein. Roland Croissard hatte sie getäuscht. Was sie im Fluss gefunden hatten, war nicht die Leiche einer Frau gewesen. Es war ein schlanker Mann. Und in dem Rucksack hatten sich keine weiblichen Toilettenartikel befunden. Es musste etwas gewesen sein, das sie im Tempel gefunden hatten, irgendetwas, das unter dem Podest versteckt gewesen war, auf dem die Buddha-Statue gesessen hatte, und Juan hatte es Smith auch noch freiwillig ausgehändigt.
Es war niemals darum gegangen, irgendeine Tochter zu retten. Croissard hatte sein eigenes Team in den Dschungel geschickt, dem es nicht gelungen war, irgendeinen Gegenstand an sich zu bringen. Daher hatte er die Corporation engagiert, um die Mission zu vollenden.
»Mein Gott, was für ein Idiot war ich!« Dann kristallisierte sich aus dem Nebel von Wut und Selbstvorwürfen die Erkenntnis heraus, dass Linda Ross bei Smith war und keine Ahnung hatte, dass er ganz andere Pläne verfolgte, als sie auch nur ahnte.
Würde er sie jetzt töten, da er hatte, war er wollte? Diese Frage brannte in Juans Bewusstsein. Die Logik sagte ihm allerdings, dass er es nicht tun würde. Alles Weitere wäre für ihn erheblich einfacher zu bewältigen, wenn sie Max und der restlichen Mannschaft erklärte, was MacD und Cabrillo zugestoßen war. Und sobald er sich wieder an Bord der Oregon befand, brauchte er nur zu warten, bis seine Rückkehr in die Zivilisation arrangiert werden würde.
Juan war in Maßen erleichtert. Linda würde wohl nichts zustoßen. Aber der Gedanke, von Smith und Croissard auf eine solche Art und Weise ausgetrickst worden zu sein, schickte seinen Blutdruck in schwindelnde Höhen. Warum hatte er
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