Killing Game
unbekümmert, ehe sie ihm in ernstem Tonfall die Lage erklärte.
»Komisch, was?«, sagte er. »In diesem Zeitalter hinterlassen wir unsere privatesten Erinnerungen auf technischen Geräten.«
»Nun, vom Standpunkt eines Kriminalisten aus gesehen, ist das durchaus von Vorteil. Vor dreißig, vielleicht sogar nur zwanzig Jahren mussten sich Tatortspezialisten durch ganze Stapel von Briefen wühlen … dann haben sich die Zeiten geändert, das Briefschreiben kam aus der Mode, und die Ermittler fanden nichts, was ihnen weiterhalf.«
»Und dann kam die E-Mail«, sagte Nuñez. »Merkwürdig, wie schnell die Leute wieder angefangen haben zu schreiben. Eine alte Kunst, neu entdeckt.«
»Hurra, kann ich da nur sagen. Also, wann können Sie sich um diese Sache kümmern, Tomas? Wir sind in diesem Fall noch am Beginn der Ermittlungen.«
»No Problemo«, sagte Nuñez in gespieltem spöttischem Gringotonfall. »Ich kann ihn abholen, sagen wir etwa in … einer halben Stunde?«
»Wunderbar. Sie sind der Beste.«
»Ich weiß.«
Lustvoll das Lächeln genießend, das Tomas ihr entlockt hatte, trennte Catherine die Verbindung und machte sich an die Arbeit.
Sie fing mit einem anderen elektronischen Gedächtnis an: Angies Mobiltelefon, das bereits auf Fingerabdrücke untersucht worden war, aber außer denen des Opfers keine weiteren preisgegeben hatte. Aber Mobiltelefone bargen bisweilen einen wahren Reichtum an Informationen – sowohl außen wie auch innen.
Und dieses Modell kannte sie sogar, also fand sie problemlos die Menütaste, blätterte in den Menüpunkten, entdeckte Angies In-Box, doch sie war leer … offenbar hatte das Opfer alle Voice-Messages gelöscht. Zurück zum Menü und weiter zu den Anruflisten. Zunächst notierte Catherine alle entgangenen Anrufe, dann die entgegengenommenen und schließlich die von Angie gewählten Nummern.
Am Ende hatte Catherine eine Liste von dreißig Anrufen, die zu sechzehn verschiedenen Telefonnummern gehörten. Von denen tauchten drei besonders häufig auf. Diese regelmäßigen Anrufer würde sie zuerst überprüfen.
Das Scheckbuch wies ein Guthaben von etwas mehr als dreihundert Dollar auf, und soweit Catherine es beurteilen konnte, hatte Angie alle ihre Rechnungen bezahlt. Auch sprangen ihr keine Schecks besonders ins Auge – Kabelgesellschaft, Vermieter, Telefongesellschaft, das Übliche. Keine Schecks über exorbitante Summen, und keine, die auf Privatpersonen ausgestellt worden wären.
Eines war an dem Scheckbuch aber doch sonderbar: Angie hatte jeden Freitag dreihundert Dollar bar eingezahlt … die Zeile für den Herkunftsvermerk jedoch nie ausgefüllt. Das kam Catherine seltsam vor. Handelte es sich vielleicht um eine Gehaltszahlung oder um ein gewöhnliches Geschenk von einem Verwandten? Warum sollte Angie darauf verzichtet haben, Angaben über die Herkunft des Geldes zu machen?
Sie hatte diese Frage gerade zurückgestellt, als die Tür zum Besprechungsraum geöffnet wurde und Tomas Nuñez hereinschlenderte. Wie üblich war er von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, Laufschuhe, Jeans, T-Shirt, alles inklusive. Als er sah, dass sie ähnlich gekleidet war, lachte er, streckte die Hände aus und sagte: »Alle großen Geister gleichen sich, Querida!«
An die Fünfzig, derbe, pockennarbige, maskuline und durchaus attraktive Züge, schlank mit glatt zurückgekämmtem, gegeltem schwarzem Haar, in dem nicht die kleinste graue Strähne existierte – so sah Tomas Nuñez schon aus, seit Catherine ihn kennen gelernt hatte, und nie hatte sie verräterische Haarwurzeln erkennen können, die auf eine Färbung hingedeutet hätten. Das schwarze T-Shirt schmückte das Abbild des kolumbianischen Sängers Juanes. Lateinamerikanische Musik hatte zahlreiche Interpreten, und alle hatten ihren eigenen Stil. Catherine wusste, dass Nuñez für die meisten von ihnen als Experte gelten durfte.
»Hola, Tomas«, sagte sie mit einem breiten Lächeln. »Nehmen Sie sich einen Stuhl, ja?«
Er erwiderte das Lächeln und entblößte kleine, ebenmäßige Zähne.
»Ach, ich würde nichts lieber tun, als den ganzen Tag hier mit Ihnen zu verbringen und zu helfen, all diese Beweise zu katalogisieren … kann ich das ohne Handschuhe anfassen?«
Er griff nach dem Laptop.
»Klar«, sagte sie. »Alles, was hier drin ist, wurde bereits auf Fingerabdrücke untersucht.«
»Wie gesagt, ich würde Ihnen zu gern Gesellschaft leisten … aber Sie wissen ja, wie es ist, wenn ein Mann sein eigenes Geschäft
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