Killing God
und das führt dazu, dass auch ich mich irgendwie gut fühl.
Draußen regnet es immer noch heftig und es klingt kalt und eklig, ich bin froh, dass ich hier drinnen bin, in der regenlosen Gemütlichkeit meines Zimmers. In meinem Magen breitet sich ein wohlig warmes Gefühl aus.
»Du solltest das immer tun«, sagt Mel.
»Was?«
»Dich zurechtmachen.« Sie fährt mir mit einer Bürste durch die Haare. »Ist nicht viel Aufwand und macht einen riesigen Unterschied. Du würdest staunen, wie viel besser du dich fühlst, wenn du schön aussiehst.«
Ich schüttle den Kopf.
»Hältst du wohl
still
?«, keift Taylor mich an.
»Entschuldigung.« Ich schau in den Spiegel zu Mel. »Aber das ist vergeudete Zeit.«
»Was ist vergeudete Zeit?«
»Zu versuchen, dass ich schön ausseh – das ist zwecklos.«
»Wieso?«
»Das weißt du
genau
. Ich mein, guck mich doch an …« Abwehrend betrachte ich mein Spiegelbild und trotz der neu gestylten Haare und meiner angemalten Lippen und meiner (offen gesagt) ganz passablen Augen (ich muss zugeben, dass sie sogar ziemlich toll aussehen) kann ich mich immer noch nur als das sehen, was ich eben bin – ein Pummel mit rundlichen Schultern in schwarzen Schlabberklamotten. Runder Kopf, plumpe Arme, plumpe Beine, pummelige Stampfer …
Das bin ich und basta.
Das bin ich.
»Mach dich nicht klein«, sagt Mel.
»Tu ich nicht –«
»Doch, tust du. Ich meine, okay, du bist nicht gerade Kylie Minogue, trotzdem hast du was, das für dich spricht.«
»Ja?«, sag ich mit einem Lachen. »Was denn zum Beispiel?«
Sie setzt sich zurück und betrachtet mich im Spiegel. »Du hast ein hübsches Gesicht, schöne Augen, ziemlich gute Haut …«
»Ja«, stimmt Taylor zu, die sich immer noch auf meine Augen konzentriert. »Ihre Haut ist überraschend gut, echt.«
»Genau wie die Haare«, sagt Mel. »Denen fehlt bloß ein gescheiter Schnitt.« Sie lächelt. »Und was den Rest betrifft …«
»Ja, richtig«, sag ich. »Der Rest von mir. Genau.«
»Was meinst du?«, fragt Mel.
»Was glaubst
du
denn, was ich wohl meine?«
»Sie denkt, sie ist fett«, sagt Taylor nüchtern zu Mel.
Mel sieht mich finster an. »Du bist nicht
fett
, verdammt.«
»Nein?«
»Nein.«
»Also, dünn bin ich ja wohl nicht, oder?«
»Na und? Nur weil du nicht dünn bist, heißt das noch lange nicht, du bist fett. Ich mein, schau dich doch an …« Sie legt ihre Hände auf meine Schultern und zieht mich leicht zurück, sodass ich gerade sitze, dann fährt sie mir mit den Händen den Rücken entlang und rafft den Stoff von meinem alten
Jesus-and-Mary-Chain -Schlabber- T-Shirt
zusammen, bis es eng am meinem Körper anliegt. »Da«, sagt sie und schaut mich (fast triumphierend) im Spiegel an. »Siehst du? Ich meine, achte mal auf die Kurven … ich kenne Mädchen, die würden für so einen Körper
sterben
. Du musst nur aufhören, ihn zu verstecken, das ist alles.«
Als ich mich im Spiegel anstarre und die Form meines Körpers studiere – meinen runden Bauch, die unvertraute Kontur meiner Brüste –, kann ich nicht anders, als alles infrage zu stellen. Ich meine, Kurven? Sind das bei mir wirklich Kurven? Oder nehmen die mich bloß auf den Arm? Verscheißern mich Taylor und Mel nur? Wollen sie mich mit ihrem tollen Gerede und ihren falschen Schmeicheleien verführen? Mich glauben lassen, dass ich gar nicht so schlecht ausseh, wie ich immer denke?
Frage:
Wieso sollten sie das tun?
Antwort:
Wieso nicht?
Aber wenn es das ist, was sie wollen, wenn sie mich wirklich verarschen, dann:
Frage:
Wieso fühlst du dich dann wohl? Ich meine, wie kommt es, dass es dir sogar
Spaß
macht? Wieso
gefällt
es dir, hier zu sitzen und dich im Spiegel zu betrachten, während Mel dir das T-Shirt straff zieht?
Antwort:
Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wieso ich mich wohlfühl.
Aber vielleicht liegt es nur daran, dass ich es manchmal, so wie jetzt (als die Gitarren fetzen und das Schlagzeug schwer reinhaut, Mel mein T-Shirt loslässt und Taylor aufsteht, sich eine Zigarette anzündet und mein Glas nachfüllt) … dass ich es manchmal
brauche
, mich wohlzufühlen.
Doch dann reicht mir Taylor mein Glas und sagt: »Okay, kipp das runter und dann zieh deine Sachen aus.« Und wie sie so dasteht und auf mich runtergrinst, ist es, als ob die Welt einen Moment stehen bleibt (zumindest meine Welt scheint stehen zu bleiben), und plötzlich fühl ich mich nicht mehr so wohl. Das Einzige, was mir übrig bleibt, ist zurückzustarren – ohne
Weitere Kostenlose Bücher