Killing God
als Jesus sich wieder aufs Bett sinkenlässt, die Augen noch immer auf mich fixiert, bekomm ich zumindest oberflächlich mit, wie Taylor den Reißverschluss ihres Schulterbeutels aufzieht und ein paar Einkaufstüten mit Sachen herauszieht.
ich kann dir nicht helfen
»Ich weiß«, sag ich zu Jesus. »Ist ja gut.«
»Was ist gut?«, fragt Taylor.
schau sie an, behalt sie im Auge
Ich schau Taylor an. »Wie?«
»Mit wem
sprichst
du?«
»Wann?«
»Jetzt … gerade eben …«
Ich werf ihr einen unschuldigen Blick zu – so als wollte ich sagen: Was
redest
du da? Was glaubst
du
denn, mit wem ich spreche? – und sag: »Ich red mit dir.«
Sie starrt mich an.
Ich lächle zurück, ohne zu wissen, wieso. »Was hast du da?«, frag ich und schau auf die Tüten, die sie aus ihrem Schulterbeutel geholt hat.
Sie zögert einen Moment, genauso verwirrt von meinem Verhalten wie ich selbst, dann schüttelt sie den Kopf, verscheucht den Eindruck und zeigt mir, was in den Tüten ist. »Das«, sagt sie, »ist für dich.«
Ich seh zu, wie sie eine der Tüten umdreht und den Inhalt auf dem Bett auskippt. Es sind Sachen zum Anziehen. Sachen für Mädchen. Und auf einmal bin ich es, die verwirrt guckt.
»Was ist das?«, frag ich.
Als Mel ein sehr klein wirkendes knallrosa T-Shirt hochhält,damit ich es sehen kann, sagt Taylor zu mir: »Na, was meinst du? Gefällt’s dir?«
Vorn auf dem T-Shirt steht in Pailletten
ROCK ’N’ ROLL STAR
drauf
.
»Was ist das?«, frag ich noch einmal.
»Dein neuer Look«, sagt Taylor. Und dann zu Mel: »Zeig ihr den Rock.«
Mel hält einen kurzen Jeansrock hoch und schwenkt ihn von rechts nach links.
»Du wirst da drin super aussehen«, sagt Taylor und grinst mich an. »Heißes Teil.«
»Ich versteh nicht«, sag ich. »Wie meinst du das?«
»Wir stylen dich um«, erklärt sie und kramt in einer andern Tüte. »Total neuer Look.« Sie zieht einen Haufen Zeug raus und wirft ihn aufs Bett. Flaschen, Spraydosen, ein Make-up-Täschchen. »Verstehst du?«, sagt sie. »Neue Klamotten, neue Frisur, neues Gesicht …« Sie lacht. »Eine komplett neue Dawn.«
»Warum?«, murmel ich und seh von Taylor zu Mel. »Ich meine … wieso?«
»Weil du’s brauchst«, sagt Taylor und steht auf. »Wird dich total aufleben lassen. Dir ein gutes Gefühl geben.«
»Ja, aber –«
»Wir fanden, du wirkst ein bisschen down«, sagt Mel. »Du weißt schon, gestern … du hast so unglücklich ausgesehen.«
»Angepisst«, fügt Taylor hinzu.
»Wegen deinem Dad und allem.«
»Ja«, sagt Taylor und kommt mit der Flasche
Revolver
in der Hand zu mir. »Da haben wir gedacht, wir muntern dichauf. Hier, nimm noch was.« Sie schnappt sich mein leeres Glas, füllt es und reicht es mir wieder.
Ich nehm es ihr ab.
»Trink«, sagt sie.
Und ich trink es leer.
»Gut«, sagt sie und lächelt durchtrieben. »Mann, wir motzen dich richtig auf, Mädel.«
happy when it rains (2)
Frage:
Warum lässt du die Leute Dinge mit dir machen, die du gar nicht willst? Wieso kannst du ihnen nicht einfach sagen:
Nein, ich will das nicht
? Ich meine, was hält dich davon ab, dich zur Wehr zu setzen? Angst? Die Angst, ausgelacht zu werden? Die Angst vor Konflikten? Die Angst, nicht gemocht zu werden? Oder einfach nur Schwäche? Eine Charakterschwäche, ein Mangel an Selbstvertrauen, fehlender Mut?
Wieso bist du so kleinlaut?
Antwort:
Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wieso. Ich lass es einfach geschehen.
Aber vielleicht denk ich auch nur, dass es manchmal, so wie jetzt (als die Gitarren fetzen und das Schlagzeug schwer reinhaut, Taylor und Mel Zigaretten rauchen, ihren Wodka trinken und reden und lachen und sich zur Musik um mich herumbewegen) … vielleicht denk ich nur, dass es am leichtesten ist, alles einfach geschehen zu lassen.
Leichter, als Nein sagen.
Und außerdem ist es nicht
so
schwer, bloß auf dem Bett zu sitzen, dieses fruchtige Bitzelzeug zu trinken, in die Musik abzutauchen und Taylor und Mel mit meinen Haaren und meinem Gesicht irgendwas machen zu lassen. Ehrlich gesagt ist es sogar ganz okay.
»Halt still«, sagt Taylor.
Sie macht was mit meinen Augen – pinselt irgendwas auf die Lider, schminkt sie (sie hat auch schon meine Lippen angemalt und mir irgendwas auf die Wangen getan). Mel ist hinter mir, kniet auf dem Bett und fummelt an meinen Haaren. Ich weiß nicht, was sie da macht, aber es fühlt sich ganz nett an. Und ich seh sie im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand, sie sieht aus, als ob es ihr Spaß macht,
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